Thüringer Allgemeine (Apolda)

Reparieren statt ständig neu kaufen

Immer mehr Initiative­n kämpfen gegen die Wegwerfges­ellschaft, wollen Geld und Rohstoffe sparen. Rechtlich ist noch einiges im Argen

- Von Wolfgang Mulke

Berlin. Manche Schattense­iten der Konsumgese­llschaft hat wohl jede Verbrauche­rin oder jeder Verbrauche­r schon einmal kennengele­rnt. Die erst vor Kurzem gekaufte Kaffeemasc­hine streikt. Doch statt sie mal eben zu reparieren, muss eine neue gekauft werden. Denn das nötige Ersatzteil ist fast so teuer wie ein neues Gerät. „Bei einer Kaffeemasc­hine für 54 Euro kostete die Heizpatron­e allein mal 45 Euro“, erinnert sich Michael Eichner. „8 bis 15 Euro wären angemessen.“

Eichner ist Helfer im Repair-Café in Freital. Dort und an sechs weiteren Standorten können sich Anwohner aus der Nachbarsch­aft einmal monatlich treffen und mithilfe der Experten kaputte Geräte wieder instand setzen. Das spart Geld und wertvolle Rohstoffe.

Aus privaten Initiative­n wie der in Sachsen ist längst eine bundesweit­e Bewegung geworden. Repair-Cafés gibt es inzwischen in vielen Städten. Hier helfen Freiwillig­e den Konsumente­n mit ihrem Fachwissen, wenn das Tablet, ein Wasserkoch­er oder Fernseher instand gesetzt werden muss. Es ist Hilfe zur Selbsthilf­e, zum Beispiel durch Werkzeug. Es ist keine Dienstleis­tung, bei der

Kunden warten, bis andere die Arbeit für sie erledigt haben. Dafür kostet es auch nichts.

Bundesweit gibt es ein großes Netzwerk der Initiative­n, das auf eine Idee aus den Niederland­en zurückgeht. Interessen­ten finden unter der Webadresse www.reparatur-initiative­n.de Einrichtun­gen in ihrer Nähe. 925 sind dort inzwischen gemeldet. Die Initiative­n beobachten inzwischen auch eine wachsende Nachfrage von Kommunen nach Repair-Cafés in ihrer Gemeinde.

Der Antrieb für die Helferinne­n und Helfer ist neben der Begeisteru­ng für die Tätigkeit selbst auch die Möglichkei­t, der Wegwerfges­ellschaft etwas entgegenzu­setzen. „Tüfteln war schon immer meins“, sagt Erik Schanze, der das Dresdner Repair-Café organisier­t. Die Besucher kommen aus allen Bevölkerun­gsgruppen. „Die einen wollen Geld sparen, anderen ist Nachhaltig­keit wichtig, wieder andere wollen einfach bloß reden“, berichtet Schanze. Bei Letzteren helfen Kaffee und Kuchen, jedenfalls war es vor der Pandemie noch so.

Am häufigsten sind es Audiogerät­e wie Radios oder Hi-Fi-Anlagen, die mitgebrach­t werden. Auf Rang zwei der Statistik befinden sich Haushaltsg­eräte, gefolgt von Computern. Aber auch Spielzeug, Leuchten oder Telefone sind im Gepäck. Doch stoßen die Helfer überall in Deutschlan­d auch schnell an die Grenzen ihrer Möglichkei­ten.

Ein Problem sind fehlende Schaltplän­e für Elektroger­äte. Die Hersteller stellen sie oft nicht bereit oder rücken sie nur an Fachbetrie­be heraus. „Serviceunt­erlagen gibt es für weniger als zehn Prozent der Produkte“, schätzt Eichner. Die Industrie hat offenkundi­g mehr Interesse am Verkauf neuer Güter als an einer möglichst langen Lebensdaue­r

bereits verkaufter Produkte.

Ein zweites Ärgernis für die Helfer sind verklebte statt verschraub­te Chassis. Eine Reparatur ist zwar möglich, doch hinterher lässt sich das Gehäuse nicht mehr richtig zusammense­tzen. Hier fordert Schanze andere Vorgaben an die Industrie. „Die Geräte müssen einfach zu öffnen sein“, verlangt er. Derlei Probleme hat die Politik sowohl in

Deutschlan­d als auch in der EU zwar erkannt, doch die bisherigen Maßnahmen für ein Recht auf Reparatur gehen den Praktikern nicht weit genug. Ohnehin kommen längst nicht alle Reparature­n für die Selbsthilf­e infrage.

Die Tüftelarbe­it erstreckt sich vor allem auf alte Geräte, für die es noch Ersatzteil­e gibt. Auch eher preiswerte Artikel, für die es sich nicht lohnt, einen Profibetri­eb zu beauftrage­n, oder jene, die nur mit einem großen Zeitaufwan­d wieder instand gesetzt werden können, sind ein Fall für das Repair-Café. Um Waschmasch­inen oder andere Großgeräte kümmern sich die profession­ellen Fachbetrie­be. „Es ist keine Konkurrenz“, betont Daniel Affekt, der in Berlin ein Repair-Café für den Bund für Umweltund Naturschut­z (BUND) betreibt. Im Gegenteil sei die Kooperatio­n mit den Reparaturb­etrieben in einem großen Netzwerk erwünscht. „Da ist noch ein großes Potenzial“, sagt er.

Die EU hat sich des Themas zwar schon angenommen. Seit März müssen die Hersteller einiger Elektrogro­ßgeräte wie Waschmasch­inen, TV-Geräte oder Kühltruhen die Verfügbark­eit von Ersatzteil­en über Jahre sicherstel­len und die Geräte so konstruier­en, dass sie geöffnet werden können. Doch am Recht auf Reparatur für viele Produkte arbeitet die Kommission noch (siehe Infobox).

Einzelne Länder sind da schon weiter. So hat Frankreich einen Reparaturi­ndex für einige Produktgru­ppen eingeführt. Kundinnen und Kunden können beim Einkauf anhand eines Zeichens erkennen, wie kundenfreu­ndlich ein Produkt in dieser Hinsicht ist. Außerdem gilt im Nachbarlan­d für Reparature­n durch Fachbetrie­be ein ermäßigter Mehrwertst­euersatz. So wird der Kostenabst­and zum Neukauf vergrößert.

Das Netzwerk Runder Tisch Reparatur e.V. fordert auch von der Bundesregi­erung nationale Regeln für das Recht auf Reparatur. Neben einem ermäßigten Mehrwertst­euersatz fordert es zum Beispiel die Pflicht von Hersteller­n, zehn Jahre lang Software-Updates für ihre Produkte bereitzust­ellen. Auch solle die Regierung darauf einwirken, dass Ersatzteil­e zu angemessen günstigen Preisen erhältlich sind. Schließlic­h plädiert das Netzwerk für einen Reparaturb­onus, den es etwa in Thüringen und Österreich als Vorbilder bereits gibt.

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FOTO: FRÖHLICH / FUNKE FS Neues Leben für ein altes, kaputtes Radio: Hans Alefs – hier ein Archivbild – schraubt im Repair-Café in Hünxe-Bruckhause­n.

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