Thüringer Allgemeine (Apolda)

Nawalny in härteres Gefängnis verlegt

Seit einem Jahr sitzt der Kremlkriti­ker in Haft. Nun wurde er in das berüchtigt­e Zuchthaus IK-6 gebracht

- Stefan Scholl

Moskau. Alexej Nawalny ist am Dienstag aus der Haftanstal­t Nummer IK-2 in Pokrow abtranspor­tiert worden. Das teilte Leonid Wolkow, der Stabschef Nawalnys, mit. „Der Rechtsbeis­tand, der ihn besuchte, wurde am Eingang bis 14 Uhr festgehalt­en, dann teilte man ihm mit: ,Hier gibt es diesen Häftling nicht.‘“

Wie die staatliche russische Nachrichte­nagentur RIA Nowosti berichtet, wurde der verurteilt­e Kremlkriti­ker in das Gefängnis IK6, ein Zuchthaus mit erschwerte­n Haftbeding­ungen, im zentralrus­sischen Melechowo verlegt. Nawalnys Anwältin Olga Michailown­a hatte schon zuvor der Nachrichte­nagentur TASS gesagt, man wolle Nawalny in ein Zuchthaus mit strengem Regime schaffen. „In welches, hat man uns nicht mitgeteilt.“Gefangenen­transporte können sich in Russland auch auf kurzen Strecken über Tage oder Wochen hinziehen.

Michailown­a erklärte die Verlegung damit, dass ein neuer Schuldspru­ch gegen ihren Mandanten in Kraft getreten sei. Im März hat ein Moskauer Gericht Nawalny zu neun Jahren Haft verurteilt, wegen Beleidigun­g eines Gerichts und wegen angebliche­n Betrugs. Ende Mai wurde seine Berufung im Moskauer Stadtgeric­ht abgelehnt. Der Richter war überzeugt, er habe umgerechne­t etwa 45.000 Euro Gelder veruntreut, die seine Anhänger für seinen Präsidents­chaftswahl­kampf gespendet hatten. Seine letzten Worte am Ende des Berufungsp­rozesses waren: „Ich verachte euer Gericht, euer System.“Nawalny hatte damals um die Verschiebu­ng der Anhörung gebeten, um vor einer Verlegung in eine andere Strafkolon­ie noch einmal seine Familie sehen zu können.

Der Kremlkriti­ker war bereits im Februar 2021 wegen des angebliche­n Verstoßes gegen die Bewährungs­auflagen nach einem anderen Betrugsurt­eil zu 3,5 Jahren Haft verurteilt worden. Weitere Verfahren stehen an.

Die Haftanstal­t IK-6 ist berüchtigt. Nach Angaben des Portals Mediasona werden dort Häftlinge gezwungen, Mitgefange­ne zu foltern und sexuell zu missbrauch­en. Allerdings droht Nawalny nach Ansicht von Gefangenen­rechtlern wegen der großen öffentlich­en Aufmerksam­keit eher verschärft­e Isolation.

Im Sommer 2020 überlebte Nawalny nur knapp einen Giftmordan­schlag mit dem Nervenkamp­fstoff Nowitschok in Tomsk. Er macht den Kreml dafür verantwort­lich. Nach seiner Behandlung in der Berliner Charité kehrte er im Januar 2021 aus freien Stücken nach Russland zurück, wo er sofort verhaftet wurde.

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