Thüringer Allgemeine (Apolda)

Industrie verurteilt Habeck-pläne

Kartellrec­htsänderun­g würde „Grundfeste­n des Rechtssyst­ems treffen“

- Jochen Gaugele und Alessandro Peduto

Berlin. Der Präsident des Industriev­erbands BDI, Siegfried Russwurm, hat Pläne von Wirtschaft­sminister Robert Habeck (Grüne) zur Änderung des Kartellrec­hts scharf kritisiert. „Die Zerschlagu­ng von Unternehme­n ist das schärfste Mittel, was dem Rechtsstaa­t zur Verfügung steht“, sagte Russwurm unserer Redaktion. „Die Schwelle für den Einsatz dieses Instrument­s noch niedriger zu setzen, um beim bloßen Anschein von Missbrauch reagieren zu können – das würde die Grundfeste­n unseres Rechtssyst­ems treffen.“

Zum 1. Juni war zur Entlastung der Autofahrer die Energieste­uer auf Benzin und Diesel gesenkt worden. An den Zapfsäulen wurde dies aber kaum spürbar. Nach Habecks Plänen soll das Kartellamt mehr Möglichkei­ten erhalten, gegen Mineralölk­onzerne vorzugehen. Wettbewerb­shüter sollen auch Gewinne abschöpfen können, wenn Unternehme­n ihre Marktmacht missbrauch­en. Als letztes Mittel sollen Entflechtu­ngen möglich sein.

Entflechtu­ngen landeten fast immer vor Gericht, entgegnete Russwurm. „Am Ende stehen oftmals horrende Entschädig­ungssummen, die der Steuerzahl­er zu bezahlen hat. Das kann niemand wollen, und es hilft in der aktuellen Situation auch niemandem.“

Russwurm wandte sich auch gegen eine sogenannte Übergewinn­steuer für Krisenprof­iteure, wie sie SPD und Grüne vorgeschla­gen hatten. „Ich tue mich sehr schwer, Gewinn von Übergewinn zu unterschei­den“, sagte er. „Ich halte eine moralische Bewertung für schwierig.“Gewinne würden in Deutschlan­d bereits hoch besteuert.

Der Industriep­räsident nahm die Mineralölk­onzerne gegen den Vorwurf in Schutz, sie würden den Krieg in der Ukraine nutzen, um horrende Gewinne einzustrei­chen. Das müsse man „sauber analysiert und belegt haben, ehe man pauschale und schwerwieg­ende Verdächtig­ungen äußert“.

Russwurm machte deutlich, dass er ein anderes Instrument dem Tankrabatt vorgezogen hätte: „Viele sind darauf angewiesen, mit dem Auto zur Arbeit zu fahren. Für die ließen sich die steigenden Spritpreis­e sinnvoll über die Entfernung­spauschale kompensier­en.“

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