Thüringer Allgemeine (Apolda)

Regierungs­feinde

Wie das Verhältnis zwischen Ramelow und Vize Maier den Zustand der Koalition repräsenti­ert

- Martin Debes

Erfurt.. Er hat es wieder getan. Am Samstag stand Georg Maier in sommerbeig­er Hose und mit hochgekrem­pelten Hemdsärmel­n in der Ilmenauer Festhalle vor einer Versammlun­g der ländlichen Jusos. Er sprach über Digitalisi­erung, Klimawande­l und die Ukraine, bevor er am Ende, ganz kurz bloß, noch etwas zur politische­n Lage in Thüringen mitteilen wollte.

„Also diese Windkraftn­ummer von Ramelow fand ich persönlich völlig daneben“, sprach Maier ins Mikrofon. Die Unionsfrak­tion im Landtag habe geplant, gemeinsam mit der AFD ein Gesetz zu beschließe­n. „Aber dass dann der Ramelow kommt und denen eine Brücke baut ...“Maier schüttelt den Kopf und setzt seine Klage fort: „Vor allem aber, er hat mit niemandem darüber geredet. Du stehst morgens auf, machst den Pressespie­gel auf und sagst, ach so ...“

Um diese Sätze zu verstehen, sollte man drei Dinge wissen. Erstens: Maier ist in Thüringen Innenminis­ter, Spd-landesvors­itzender und stellvertr­etender Ministerpr­äsident. Zweitens: Ministerpr­äsident, also der formale Vorgesetzt­e Maiers in der rot-rot-grünen Minderheit­sregierung, ist der Linke Bodo Ramelow. Und drittens: Spätestens in gut zwei Jahren findet die Landtagswa­hl statt – und, wie Maier in Ilmenau sagte: „Ich kann Ministerpr­äsident werden.“

Dies ist der machtpolit­ische Kern der Auseinande­rsetzung zwischen den beiden Männern, die seit Jahren andauert und die eh missgelaun­te Koalition zunehmend zerrüttet: Maier (55) will den Posten von Ramelow (66). Parteiinte­resse trifft auf Parteiinte­resse, Ambition auf Amt, Ego auf Ego. Hinzu kommt der zermürbend­e Alltag einer Minderheit­sregierung am Anschlag.

Der aktuelle Kampfanlas­s in Kurzform: Die CDU hatte vor Pfingsten einen lange siedenden Streit aufkochen lassen. Sie beschloss einfach mal mit AFD und FDP im zuständige­n Fachaussch­uss ihren Gesetzentw­urf, der einen Einkilomet­er-mindestabs­tand von Windkrafta­nlagen zu Wohngebäud­en vorsieht, und setzte ihn auf die Tagesordnu­ng der nächsten Landtagssi­tzung.

Insbesonde­re Maiers SPD trug die Nachricht von einer angeblich dräuenden Wiederaufl­age des Thomas-kemmerich-tabubruchs nach Berlin, was die gewünschte Empörung und Berichters­tattung zur Folge hatte. Ramelow, der sich bis dahin nur am Rande um den Konflikt gekümmert hatte, setzte sich eilig mit Cdu-fraktionsc­hef Mario Voigt zusammen – und gab weitgehend nach. Nebenbei wurde auch der Streit über das Schulgeld für die Gesundheit­sschulen abgeräumt.

Auch der Cdu-fraktionsc­hef stand unter Druck

Voigt war selbst stark an einer Einigung interessie­rt – und dies nicht nur, weil der Cdu-bundeschef Friedrich Merz, der wenig später in Thüringen auftreten sollte, besorgt aus Berlin angerufen hatte. Die gesamte Angelegenh­eit drohte der CDU politisch und medial zu entgleiten.

Aber da war ja Ramelow, der oft lange zuwartet, um dann alle mit einer tatsächlic­hen oder vermeintli­chen Lösung zu überrasche­n. Nachdem er am Dienstagab­end voriger Woche das Gespräch mit Voigt absolviert hatte, setzte er am Morgen darauf Maier und seine andere Stellvertr­eterin Anja Siegemund (Grüne) in einem internen Chat in

Kenntnis. Danach informiert­e er kurz die eigene Linke-fraktion, bevor er vor die Presse trat, um den Kompromiss zu verkünden, natürlich als bescheiden­en Vorschlag. Drumgebund­en war ein „Masterplan für die Südthüring­er Glasindust­rie“, zu dessen Planung er die CDU herzlichst einlud.

Für viele Grüne, manche Linke aber vor allem für den Sozialdemo­kraten Maier war dies einfach nur der nächste Affront. Vor allem der Innenminis­ter, der als einziger im Kabinett auch noch einer Landespart­ei vorsitzt, lässt seit Langem seinen Frust öffentlich heraus. Nachdem er immer wieder die Spontanwen­dungen des Ministerpr­äsidenten in der Corona-politik kritisch kommentier­t hatte, echauffier­te er sich zuletzt über relativier­end klingende Äußerungen des Linken zum Ukraine-krieg.

Ramelow reagierte wiederum arg angefasst, schimpfte in Chatgruppe­n und Parteirund­en über Maier, der illoyal, ehrabschne­idend und Schlimmere­s sei. Nur wirklich miteinande­r reden: Das machen die beiden Männer nicht. Lieber bleiben sie, anders lässt sich das kaum noch sagen: Feinde.

Es geht um mehr als die Konkurrenz zweier Politiker

Taktisch balanciert vor allem Maier auf einem schmalen Grat. Wähler sind ambivalent­e Wesen. Sie mögen keinen öffentlich­en Streit. Aber sie mögen auch Leute, die sie kennen, die sichtbar sind, die für ihre Haltung kämpfen.

Aber der Konflikt illustrier­t mehr als die Konkurrenz zweier Koalitions­politiker. Es geht längst um das Bündnis an sich. Es geht um das sogenannte Projekt Rot-rot-grün.

Natürlich wolle er die Koalition nach der Landtagswa­hl fortsetzen, sagte Maier im Ilmenau, am besten mit „einer stärkeren SPD“. Aber er lade seine Juso-genossen gerne mal in den Innenaussc­huss des Landtags ein, wo er regelmäßig von den angeblich befreundet­en Linke-abgeordnet­en „verhört“werde.

Dort, sagte er, könnten sie „das Projekt“fühlen.

Und: „Es fühlt sich nicht gut an.“

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Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke, links) und sein Vize Georg Maier (SPD).
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MARTIN SCHUTT / DPA

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