Thüringer Allgemeine (Apolda)

Antisemiti­smus auf der Documenta: Rufe nach Konsequenz­en mehren sich

Die Kunstschau in Kassel steht erneut in der Kritik wegen pro-palästinen­sischer Propaganda­filme

- Jens Bayer-gimm

Kassel. Die Kritik an der Kunstausst­ellung Documenta in Kassel reißt auch nach der Entfernung eines Kunstwerks mit antisemiti­schen Darstellun­gen nicht ab. Es müsse jetzt über personelle Konsequenz­en nachgedach­t werden, sagte der Präsident des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d, Josef Schuster, am Mittwoch in Berlin.

Es sei richtig, dass das Gemälde des indonesisc­hen Künstlerko­llektivs „Taring Padi“abgehängt worden sei. Damit sei jedoch das Thema Antisemiti­smus und die Nähe der diesjährig­en Documenta zur Antiisrael-bewegung BDS (Boycott, Divestment

and Sanctions) nicht abgehakt. „Deutschlan­ds Image in der Welt hat durch diesen Vorfall bereits Schaden genommen“, sagte Schuster. Bei der am Samstag eröffneten „documenta fifteen“war auf einem riesigen Wimmelbild der indonesisc­hen Künstlergr­uppe „Taring Padi“auf dem zentralen Friedrichs­platz in Kassel ein Mann in Anzug und Krawatte mit haifischar­tigen Reißzähnen zu sehen, die Augen rot unterlaufe­n. An den Seiten hängen Schläfenlo­cken, das Jackenreve­rs ist gelb, die Signalfarb­e der Juden im Mittelalte­r. Am Hut prangen die Ssrunen. Auf einem anderen Detail wird unter einem Kanonenroh­r eine Person in Uniform mit einer

Schweinsna­se gezeigt. Auf dem roten Halstuch ist der Davidstern zu sehen, auf dem Helm der Name des israelisch­en Geheimdien­stes Mossad. Nach öffentlich­en Protesten wurde das Bild „People's Justice“am Montagaben­d zunächst mit schwarzen Tüchern verhängt, am Dienstagab­end dann auf Beschluss des Documenta-aufsichtsr­ates entfernt.

Der Kasseler Soziologie Heinz Bude bezeichnet­e die Vorgänge bei einer Veranstalt­ung der Universitä­t Kassel am Dienstagab­end als „die größte Beschädigu­ng der Marke Documenta seit ihrem Bestehen“. Das sei ein Fazit, das man schon jetzt ziehen könne, sagte der Grünbatte dungsdirek­tor des Documenta-institutes. Auch über Kassel hinaus wurden am Mittwoch Rufe nach weiteren Konsequenz­en laut. Der Geschäftsf­ührer des Deutschen Kulturrate­s, Olaf Zimmermann, bezeichnet­e die antisemiti­schen Vorfälle als so eklatant, dass jetzt nur eine breite öffentlich geführte De

unter Einbeziehu­ng des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d und der Kunst- und Kulturverb­ände die Ausstellun­g retten könne. „Die documenta fifteen hängt nur noch am seidenen Faden. Es ist jetzt die Aufgabe der Verantwort­lichen für die Ausstellun­g, das Ruder herumzurei­ßen“, sagte Zimmermann.

Der Vorsitzend­e des Landesverb­andes der Jüdischen Gemeinden von Niedersach­sen, Michael Fürst, sagte, die Generaldir­ektorin der Documenta, Sabine Schormann, müsse sich fragen lassen, ob sie an richtiger Stelle sei und womöglich über einen Rücktritt nachdenken. Die Bischöfin der Evangelisc­hen Kirche von Kurhessen-waldeck,

Beate Hofmann, forderte eine Aufarbeitu­ng. „Antisemiti­sche Äußerungen dürfen nicht geduldet werden. Es ist wichtig, sie zu identifizi­eren und zu bekämpfen, weltweit“, sagte sie. Unterdesse­n gibt es neue Vorwürfe gegen die Documenta. Der Kulturbeau­ftragte der Evangelisc­hen Kirche in Deutschlan­d, Johann Hinrich Claussen, kritisiert­e, dass die Documenta im Programm unkommenti­ert pro-palästinen­sische Propaganda­filme aufführe.

Die seit 1955 alle fünf Jahre in Kassel zu sehende Documenta gilt als eine der weltweit bedeutends­ten Ausstellun­gen zeitgenöss­ischer Kunst. Die „documenta fifteen“dauert bis zum 25. September.

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KRISTIN MÜLLER Die Gaststätte „Waldhaus Japan“in Bleicherod­e beherbergt seit mehr als 170 Jahren einen wertvollen Schatz: französisc­he Panoramata­peten.
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CHRISTIAN CHARISIUS / DPA Josef Schuster ist Präsident des Zentralrat­es der Juden in Deutschlan­d.

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