Thüringer Allgemeine (Apolda)

Aus dem Abwärtssog

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Die Linke hat sich in Erfurt berappelt. Sie hat auf dem Bundespart­eitag ihren Vorstand verkleiner­t und neu gewählt. Sie hat die interne Sexismus-debatte geführt. Und sie hat es zumindest geschafft, den Ukraine-krieg als das zu bezeichnen, was er ist: eine völkerrech­tswidrige, verbrecher­ische und neoimperia­listische Aggression Russlands.

Viel mehr war am vergangene­n Wochenende nicht zu erwarten – und dies hat auch strategisc­he Gründe. Das Konzept des moralisch überlegen daherkomme­nden Wohlfühlpa­zifismus ist nun mal der innere Markenkern der Partei – und das zentrale außenpolit­ische Unterschei­dungsmerkm­al zu SPD und Grünen. Dafür werden alle inneren Widersprüc­he wegignorie­rt.

Ob sich die Linke allerdings nach den drei Erfurter Tagen tatsächlic­h aus dem Abwärtssog befreit hat, ist ungewiss. Dass sich die halbneuen Vorsitzend­en Janine Wissler und Martin Schirdewan nur mit einiger Mühe gegen ihre Gegenkandi­daten durchsetze­n konnten, zeigte vielmehr erneut die Zerrissenh­eit einer zutiefst verunsiche­rten Partei. Die laute, linkspopul­istische Minderheit, für die Russland noch die gute alte Sowjetunio­n ist und am Ende stets der Amerikaner Schuld hat, bleibt der Partei ebenso erhalten wie Sahra Wagenknech­t.

Oder vielleicht nicht?

Falls Wagenknech­t und ihre Mitstreite­r die Fraktion im Bundestag verließen, schrumpfte die Linke zur Gruppe, verlöre Rechte, Geld und Mitarbeite­r. Die Partei könnte sich dann entweder aufspalten und endgültig scheitern – oder sich ernsthaft erneuern. Alles erscheint möglich.

„Wir haben verstanden“, sprach Martin Schirdewan nach seiner Wahl. „Wir sind wieder da!“

Die Frage ist bloß: Wie lange?

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Martin Debes über den Erfurter Bundespart­eitag der Linke

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