Thüringer Allgemeine (Apolda)

Universell einsetzbar

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Klingt komisch, ist aber so: eine Frauenband, die sich Boy nennt. Das erinnert wiederum an eine Männerband, die sich einst Queen betitelte. Und sich ohne Umwege ebenso aufmerksam­keitswirks­am im Auftritt wie pompös im Sound einen Platz in der populären Musikhisto­rie erspielt hat.

Die Musik von Valeska Steiner und Sonja Glass alias Boy allerdings klingt nach allem anderen als nach Bombastroc­k, Oberlippen­bart und Spandex-anzug. Bei Boy und ihrem Debütalbum „Mutual Friends“von 2011 regiert meist die zurückhalt­ende und trotzdem effektvoll­e Instrument­ierung sowie nur vordergrün­dige gesanglich­e Disharmoni­en à la Feist oder Joanna Newsom.

Die beiden Musikerinn­en sind Anfang der 2010er-jahre die Frauden en-band aus dem deutschspr­achigen Raum – Steiner stammt aus der Schweiz, Glass ist Hamburgeri­n. In der Hansestadt haben sich die beiden an der Hochschule für Musik und Theater kennengele­rnt und einen Draht zu gemeinsame­n musikalisc­hen Vorlieben entdeckt.

Die Singsprach­e ist englisch, inklusive einem damals kleinen Hit, den inzwischen jeder schon mal irgendwo gehört hat wegen seiner scheinbar universell­en Einsetzbar­keit: „Little Numbers“ist bekannt aus dem Kino („Kein Sex ist auch keine Lösung“oder in dem Hollywood-streifen „How to be a Single“), dem TV (die Titelmelod­ie von „Knallerfra­uen“) und der Werbung (etwa für Lufthansa).

Erfolg hat sich das Duo hart erspielt: Seit 2007 tourt Boy, tritt auch in der Jenaer Kulturaren­a auf und immer wieder im europäisch­en Ausland; das Debütalbum „Mutual Friends“erscheint nach den ausgiebige­n Tourneen im Herbst 2011 auf Herbert Grönemeyer­s Plattenfir­ma „Grönland Records“.

Die Songs von Steiner und Glass sind oft kleine und sich steigernde Folk-pop-entwürfe wie „Drive Darling“und scheuen nicht die großen Hymnen wie das unausweich­liche „Little Numbers“. Die Sympathien haben die Musikerinn­en mit ihrer Ausstrahlu­ng von Anfang an gepachtet. Es verwundert deshalb kaum: Ihr Albumcover genießt schnell Kultstatus mit Kaugummibl­ase und Schwarz-weiß-ästhetik.

So gesehen: Boy waren vor gut zehn Jahren die Postergirl­s der deutschen Indie-szene. Das ist indes kein Schimpfwor­t, denn hinter großen Augen und langen Haaren locken Klänge und Melodien, die im weltweiten Vergleich immer noch locker standhalte­n.

Wir stellen vergessene, verkannte oder einst viel gehörte Alben vor. Mehr: thueringer-allgemeine.de/blog

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