Weimarer Ingenieure planen ohne Gas
Bürohaus von „IPH“in der Ebertstraße erzeugt derzeit mehr Energie, als es verbraucht
Weimar. Etwas Prophetisches schien schon im Spiel, als das Weimarer Ingenieurbüro „IPH“den Umbau seines Bürogebäudes in der Friedrich-ebert-straße plante. Das Unternehmen von Kathrin Selzer nabelte sich damit vollständig vom Verbrauch fossiler Brennstoffe ab und schickte die alte Gasheizung in Rente – und das zu einer Zeit, als an den offenen Ukraine-krieg und die Beschränkung der russischen Erdgas-importe noch nicht zu denken war. Zum „Tag der Architektur“gehörte „IPH“zu jenen acht Bauherren in Weimar und im Weimarer Land, die mit den beteiligten Architekten ihre Gebäudelösungen öffentlich vorstellten.
Referenzobjekt für Auftraggeber schaffen
Den Anfang hatte an der Ebertstraße der Wunsch nach mehr Platz gemacht. Für die neun Leute, die dort arbeiten, wurde das alte Bürohaus an der Straße zu klein. Um Abhilfe zu schaffen, konzipierte das Weimarer Planungsbüro „Tectum Hille Kobelt Architekten“hinter dem bestehenden Gebäude einen zweigeschossigen Anbau, der mit seiner klaren modernen Kubatur, den großen Fenstern und der Fassade aus hinterlüfteten Wasserzementplatten im Kontrast zum Altbau aus dem 19. Jahrhundert steht. Der Neu- und Umbau wurde bis zum Dezember 2021 abgeschlossen.
Noch innovativer zeigt sich das Innenleben. Um das alte Energiekonzept zu hinterfragen, musste Kathrin Selzer nicht in eine Glaskugel schauen. Neben dem Umweltund
Kostenbewusstsein ging es ihr darum, mit dem Firmensitz ein Referenzobjekt für ihre Auftraggeber zu schaffen. Die Iph-ingenieure beraten, wenn es um die technische Ausstattung von Gebäuden geht.
„Tectum“zog hierfür viele Register. „Ich hätte gern auch ein kleines
Windrad aufs Dach gebaut. Aber das wurde uns von der Stadt nicht genehmigt“, sagte Christiane Hille. Jene technischen Lösungen, die behördliche Fürsprache fanden, verhelfen aber sowohl dem Neu- als auch dem Altbau zu weitgehender Versorgungsunabhängigkeit von außen. Der Gaskessel wurde durch eine Luft-wasser-wärmepumpe ersetzt. Reicht deren Leistung bei großer Kälte nicht aus, kann zusätzlich mit Strom geheizt werden. Auch den erzeugt die Immobilie selbst – mit einer Photovoltaik-anlage auf dem Dach. Am öffentlichen Netz hängt das Objekt mit Blick auf trübere Tage weiterhin.
Die kombinierte Energieversorgung arbeitet auch dank des nun zusätzlich gedämmten Altbaus so effizient, dass der Pufferspeicher im Keller bei laufendem Verbrauch derzeit zu 80 Prozent voll ist. Das Gebäude erzeugt im Moment Energieüberschuss. Den Strom ins öffentliche Netz einzuspeisen, lohne kaum. Die Bauherren wollen deshalb den eigenen Verbrauch erhöhen. Was sich zunächst wenig ökologisch anhört, ergibt auf den zweiten Blick allerdings Sinn. Freilich steht die Frage im Raum, wofür mehr Strom nötig sein könnte. Die Beleuchtung des Hauses erfolgt komplett über sparsame LED. Im Altbau wird ob der Nähe zur viel befahrenen Straße und der daraus resultierenden Unbehaglichkeit, bei offenem Fenster zu arbeiten, auch bereits eine Kühlungs- und Lüftungsanlage betrieben.
Einen sinnvollen Energieabnehmer hat „IPH“deshalb in einer Eladesäule entdeckt, die am Firmenparkplatz installiert werden soll.