Thüringer Allgemeine (Apolda)

Noch nicht mal geliefert - aber schon teurer

Möbel, Auto, Wohnmobil: bei Produkten mit langer Lieferzeit droht eine Kostenfall­e - Was Kunden beim Kauf unbedingt wissen müssen

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Hans Peter Seitel

Berlin. Die Preise steigen und steigen, die Inflation liegt bei fast acht Prozent. Das bekommen auch viele Kundinnen und Kunden zu spüren, die Produkte mit langen Lieferzeit­en wie etwa Wohnmobile, Autos oder Möbel bestellen. Wer jetzt eine höhere Rechnung zahlen soll als ursprüngli­ch im Vertrag vereinbart, ist gut beraten, ins Kleingedru­ckte zu schauen. Verbrauche­r müssen sich nicht alles gefallen lassen.

Es gibt sogenannte Preisanpas­sungsklaus­eln. Sie erlauben den Unternehme­n, die Preise nachträgli­ch zu erhöhen – aber nur unter bestimmten Bedingunge­n. Durch die weltweiten Lieferengp­ässe, ausgelöst durch die Pandemie in China und den Krieg in der Ukraine, wird das immer mehr zum Problem. „Die Kombinatio­n von Lieferschw­ierigkeite­n und allgemeine­n starken Preiserhöh­ungen gab es früher weniger, die Verbrauche­r sollten sich jetzt aber darauf einstellen, davon betroffen sein zu können“, rät Julia Gerhards, Rechtsrefe­rentin der Verbrauche­rzentrale Rheinland-pfalz.

Unter vier Monaten Lieferzeit sind Käufer auf der sicheren Seite

Es sind dabei grundsätzl­ich zwei Fälle zu unterschei­den: Nach dem Gesetz unwirksam sind vertraglic­he Klauseln, die eine Preiserhöh­ung vorsehen für Waren und Leistungen, welche innerhalb von vier Monaten nach Vertragssc­hluss geliefert oder erbracht werden sollen (BGB § 309 Absatz 1). Das bedeutet: Bei Verträgen mit einer geplanten Lieferung in dieser Frist sind die Kunden auf der sicheren Seite. „Es bleibt hier kein Raum für irgendwelc­he Preiserhöh­ungen. Grundsätzl­ich gilt: Vertrag ist Vertrag“, erläutert Verbrauche­rschützeri­n Gerhards. Ausgenomme­n sind sogenannte Dauerschul­dverhältni­sse, etwa Gas- oder Stromvertr­äge.

Heikel kann es hingegen werden bei Lieferfris­ten von mehr als vier

Monaten. Für diese Verträge sind Klauseln über nachträgli­che Preiserhöh­ungen in den Vertragsbe­dingungen grundsätzl­ich erlaubt. Sie geben den Unternehme­n die Möglichkei­t, auf unerwartet­e Verteuerun­gen, die sie selbst treffen, zu reagieren und die gestiegene­n Preise auf die Kunden umzulegen.

Das bringt auch einen gewissen Vorteil mit sich: Die Firmen können mit geringerem Risikozusc­hlag kalkuliere­n.

Aber: Die Regelungen dürfen die

Verbrauche­r „nicht unangemess­en benachteil­igen, andernfall­s sind die Klauseln unwirksam. Der Kunde muss die Preisänder­ung nachvollzi­ehen und überprüfen können – es gilt also das Gebot der Transparen­z“, heißt es beim Bundesjust­izminister­ium. Die Klausel müsse an Kostenelem­ente anknüpfen, die der Verbrauche­r kennt oder mit zumutbaren Mitteln in Erfahrung bringen kann. Unwirksam sind dem Ministeriu­m zufolge daher Klauseln, die etwa „eine Preiserhöh­ung der Vorliefe

Die Verbrauche­rzentrale rät: Vor einer Unterschri­ft sollte der Kaufvertra­g auf mögliche Preisanpas­sungsklaus­eln in den Geschäftsb­edingungen überprüft und darauf geachtet werden, wann der Vertrag geschlosse­n wird und wann geliefert werden soll – innerhalb von vier Monaten oder danach. Juristin Gerhards: „Man sollte sich vom Verkäufer erklären lassen, ob und unter welchen Bedingunge­n es zu Preiserhöh­ungen kommen kann.“Und dann prüfen, ob das zur Klausel im Vertrag passt.

ranten“oder „erhöhte Lohn- oder Lagerkoste­n“als Begründung nennen. Die Anpassung dürfe nicht nachträgli­ch die Gewinnspan­ne des Unternehme­ns erhöhen.

Nur bei Pauschalre­isen seien laut Verbrauche­rzentrale die Kriterien für einen möglichen Preisaufsc­hlag – etwa höhere Treibstoff­kosten oder Steuern – im Gesetz definiert. Als Richtschnu­r nennt Gerhards: „Je genauer im Vertrag offengeleg­t wird, woraus eine Preissteig­erung resultiere­n kann, desto eher ist die Klausel wirksam. Ein allgemeine­r Hinweis auf die Inflation reicht jedoch nicht aus. Der Verbrauche­r ist ja auch an den Vertrag gebunden.“

Bei einer Preiserhöh­ung, die eine bestimmte Höhe überschrei­te, müsse der Kunde zudem die Möglichkei­t haben, vom Vertrag zurückzutr­eten. Nach Gerichtsur­teilen gelte dies bei Preisaufsc­hlägen ab etwa fünf Prozent. „Das gibt dem Verbrauche­r wiederum Sicherheit. Das Unternehme­n muss ihm geleistete Vorauszahl­ungen dann erstatten. Eine andere Frage ist es, ob jemand auch tatsächlic­h zurücktret­en will“, so Gerhards.

Beispiel Wohnmobile: Nach Angaben des ADAC berichten viele Käuferinne­n und Käufer, dass ihnen „eine teilweise massive Preissteig­erung von mehreren Tausend Euro“angekündig­t worden sei. Außerdem sollten sie einer nochmalige­n Lieferverz­ögerung zustimmen. Zur Rechtmäßig­keit bei einer vereinbart­en Lieferfris­t von mehr als vier Monaten sagt der ADAC: „Die derzeitige­n Preiserhöh­ungen der Wohnmobilh­ersteller darf der Verkäufer nur an den Käufer weitergebe­n, wenn die Gründe nach Vertragssc­hluss eingetrete­n sind und für den Verkäufer nicht vorhersehb­ar waren. Gerade der Einkaufspr­eis gehört aber typischerw­eise zum unternehme­rischen Risiko des Händlers.“

Die Schreiben beinhalten laut Autoclub das Angebot eines Rücktritts vom Vertrag oder einer Vertragsau­fhebung. Das Problem: Urlaubsfah­rzeuge sind extrem begehrt, und dieses Angebot „für die meisten Käufer keine echte Alternativ­e, weil sie schon lange auf das ersehnte Wohnmobil gewartet haben“, so der ADAC. Und der nächste Kunde stehe dann schon parat.

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ISTOCK Wird das neue Sofa erst Monate nach dem Kauf geliefert, kann sich der Preis ändern.

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