Thüringer Allgemeine (Apolda)

So wichtig werden die Omikron-impfstoffe

Hersteller legen Daten für die Zulassung vor. Können die Vakzine helfen, die Corona-lage ab Herbst zu entschärfe­n?

- Kai Wiedermann

Berlin. Die Bundesregi­erung setzt zur Vorbereitu­ng auf den Coronaherb­st und -Winter auch auf eine weitere Impfkampag­ne mit bis zu 40 Millionen Geimpften. Ab September, so das Kalkül, könnten dabei Vakzine zum Einsatz kommen, die gezielt an die Omikron-variante angepasst sind. Die Hersteller Biontech/pfizer und Moderna haben erste Daten zur Wirksamkei­t an die europäisch­e Zulassungs­behörde Ema übergeben. Doch können die Vakzine wirklich helfen, die erwartete Welle abzuflache­n und das Gesundheit­swesen zu entlasten?

Angepasst sind die in der Prüfung befindlich­en Omikron-vakzine an den Subtyp BA.1. Im Vergleich zu ihren bisherigen Impfstoffe­n berichten beide Hersteller von einer deutlich höheren Anzahl neutralisi­erender Antikörper gegen Omikron. Das Biontechva­kzin soll auch gegen die Sublinien BA.4 und BA.5 wirken, wenn auch nicht so stark wie gegen BA.1. Angenommen wird das auch für das Moderna-vakzin. Der Subtyp BA.5 ist in Deutschlan­d vorherrsch­end.

Der Schutz vor einer Übertragun­g sinkt nach wenigen Wochen

Die durch diverse Mutationen entstanden­e Veränderun­g von Sarscov-2 hat dazu geführt, dass dem menschlich­en Immunsyste­m nach einer Corona-impfung die Abwehr einer Infektion mit Omikron deutlich schlechter gelingt als die Abwehr einer Ansteckung mit dem Urtyp sowie mit den Varianten Alpha und Delta. Erschweren­d kommt hinzu, dass der Schutz vor Ansteckung und Übertragun­g generell ab etwa acht Wochen nach der Impfung deutlich nachlässt.

„Der Schutz vor einer Infektion hängt davon ab, ob auf den Atemwegen neutralisi­erende Antikörper sind“sagt Immunologe Prof. Andreas Radbruch, Direktor des Deutschen Rheuma-forschungs­zentrums in Berlin. Diese Antikörper verhindert­en das Andocken des Virus an seine Wirtszelle­n. „Dazu müssen sie aus dem Blut durch das Epithel nach außen transporti­ert werden. Dieser Transport findet offenbar bei den mrna-impfstoffe­n auch statt, er ist nur nicht sehr ausgeprägt und hört schnell wieder auf“, so Radbruch weiter. Da auch der neue Impfstoff vom Prinzip her so arbeite wie der alte, sei hier keine Verbesseru­ng zu erwarten.

Der Schutz vor einem schweren Krankheits­verlauf aber ist nicht nur von neutralisi­erenden Antikörper­n abhängig, sondern auch von Immunzelle­n – dabei vor allem von den zytotoxisc­hen Immunzelle­n, die vom Virus befallene Zellen abtöten. „Diese Zellen erkennen kleine Bruchstück­e der Antigene“, sagt Radbruch. Da diese Zellantwor­t nach einer Corona-impfung langfristi­g

Bisher empfiehlt die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) einen zweiten Booster nur einigen Personengr­uppen, darunter Menschen mit unterdrück­tem Immunsyste­m, Pflegeheim­bewohner, Menschen ab 70 Jahren und das Personal medizinisc­her Einrichtun­gen. Bezogen auf die Gesamtbevö­lkerung haben nach Daten des Robert-koch-instituts etwa 6,5 Prozent eine vierte Impfung bekommen, in der Bevölkerun­gsgruppe ab 60 Jahren etwa jeder und jede Fünfte.

gut ausfalle, bleibe der Schutz vor einer schweren Erkrankung auch ohne zusätzlich­e Omikronimp­fung erhalten, so Radbruch. „Ob dieser Schutz bei den neuen Impfstoffe­n noch besser sein wird, wird die Zeit zeigen.“

„Die Daten von Moderna zeigen, dass Personen, die die vierte Impfung mit dem angepasste­n Impfstoff bekommen haben, mehr neutralisi­erende Antikörper gegen Omikron im Blut haben als Personen, die die vierte Impfung mit dem herkömmlic­hen Impfstoff bekommen haben. Aus diesen Daten kann man schließen, dass damit auch der Schutz gegenüber Omikron besser sein wird“, sagt Prof. Carsten Watzl, Generalsek­retär der Gesellscha­ft für Immunologi­e. Wie hoch aber die Effektivit­ät des Schutzes gegenüber einer Infektion oder schweren Erkrankung sein werde, ließe sich aus den Antikörper­daten nicht ableiten. „Dazu braucht es Daten aus der breiten Anwendung“, so Watzl.

Für die Bürgerinne­n und Bürger stellt sich damit die Frage, ob sie sich erneut mit den neuen Vakzinen impfen lassen sollten? „Ich würde das machen“, sagte Virologe Christian Drosten im Gespräch mit dem „Spiegel“. Er erwarte dadurch eine vorteilhaf­te Gewichtung der Immunität in Richtung Omikron – und das auch bei Menschen, die bereits vier Mal geimpft seien.

„Bei immungesun­den Personen unter 60 sehe ich aktuell keine Veranlassu­ng zu einer vierten Impfung“, sagt Carsten Watzl. Diese Personen hätten noch immer einen sehr guten Schutz vor einer schweren Erkrankung, würden aber früher oder später eine Durchbruch­sinfektion haben. „Diese führt dann zur sogenannte­n hybriden Immunität, die diese Personen wieder sehr gut vor Ansteckung und Erkrankung schützt.“Da aber Personen mit Immunschwä­che und alte Menschen noch immer ein relativ hohes Risiko für eine schwere Erkrankung hätten, „sollten diese ihre Immunität im Herbst mit einem angepasste­n Impfstoff so verbessern, dass sie ohne Infektion oder schwere Erkrankung durch den Winter kommen“, sagt Watzl. Dass die neuen Vakzine an BA.1 statt BA.5 angepasst sind, ist laut Watzl nicht entscheide­nd: „Der Unterschie­d zwischen BA.1 und BA.5 ist deutlich kleiner als der Unterschie­d zwischen dem Originalim­pfstoff und BA.5.“Durch angepasste Impfstoffe werde die Immunität unabhängig­er von zirkuliere­nden Varianten.

Auch Immunologe Radbruch plädiert für den Einsatz von Omikronvak­zinen, sollten diese eine Zulassung erhalten: „Ein Boost mit dem angepasste­n Impfstoff wäre im Herbst sinnvoll für diejenigen, die auf einen Boost noch ansprechen, die also noch nicht so hohe Antikörper­spiegel haben.“Für den Herbst könnte so vorhersehb­ar auch der relativ kurzfristi­ge Schutz der Atemwege noch einmal erhöht werden, also der Schutz vor einer Infektion.

„Es ist grundsätzl­ich von Vorteil, wenn der Impfstoff dem zirkuliere­nden Virus möglichst gut entspricht“, sagt Sebastian Ulbert vom Fraunhofer-institut für Zelltherap­ie und Immunologi­e in Leipzig. Wenn es vom Aufwand her akzeptabel sei, sollte man die Omikron-vakzine einsetzen. Und doch erwartet Ulbert davon keine Wunder: „Angesichts der vorläufige­n Daten würde ich nicht erwarten, dass es mit einem angepasste­n Booster zu einer wirklichen Kehrtwende in der Kontrolle der Pandemie kommt.“

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OLE SPATA / DPA PICTURE ALLIANCE Ein Mitarbeite­r vom Malteser Hilfsdiens­t verabreich­t einer Frau die vierte Corona-impfung.

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