Thüringer Allgemeine (Apolda)

Kein Rezept gegen die Feuerwalze­n

Experten schlagen Alarm: Deutschlan­d ist schlecht vorbereite­t auf große Flächenbrä­nde

- Jonas Erlenkämpe­r

Berlin. Schwarzgra­ue Rauchsäule­n verdunkeln den Himmel, Flammen fressen sich durch die Vegetation und lassen verkohlte Baumstämme zurück. Seit Tagen brennt es in der Gohrischhe­ide in Sachsen, mehr als 800 Hektar standen schon in Flammen. 160 Feuerwehrl­eute sind zeitweise angerückt, doch sie können wenig ausrichten.

Das munitionsv­erseuchte Naturschut­zgebiet, ein verwildert­er ehemaliger Truppenübu­ngsplatz, ist für schwere Löschfahrz­euge unerreichb­ar. Um sich einen Überblick zu verschaffe­n, ließen die Einsatzkrä­fte eine Drohne aufsteigen. Ein Löschflugz­eug hätten sie angesichts des sich rasant ausbreiten­den Feuers besser gebrauchen können. Das Problem ist, dass Deutschlan­d die letzten Löschflieg­er vor acht Jahren abgeschaff­t hat. Sie sind den Bundesländ­ern zu teuer.

Und das, obwohl der Klimawande­l die von Dürre und Hitze ausgezehrt­en Wälder in Pulverfäss­er verwandelt. Seit etwa vier Jahren wird Deutschlan­d in den Sommermona­ten von fatalen Großfeuern heimgesuch­t. 2018 verwüstete­n Flammen 400 Hektar Land in Brandenbur­g, 2019 brannten in Mecklenbur­g-vorpommern fast 500 Hektar. Vor wenigen Wochen erst sorgten zwei Waldbrände südlich von Berlin für große Gefahr. Hunderte Feuerwehrl­eute waren im Einsatz, unterstütz­t von Soldaten der Bundeswehr. Ihr Kampf wirkte kläglich: Weil sie in dem unwegsamen Gelände nicht an die Glutnester herankamen, parkten sie ihre Löschfahrz­euge an der Landstraße und pumpten von dort verzweifel­t Wasser in brennende Forste.

Mischwälde­r sind besser gegen Feuer gewappnet

Kaum jemand kennt sich so gut mit Hitze aus wie Johann Goldammer. Der 72-Jährige ist als Leiter der Arbeitsgru­ppe Feuerökolo­gie des Mainzer Max-planck-instituts für Chemie so etwas wie Deutschlan­ds Löschpapst. Der Feuerforsc­her befürchtet, dass viele Verantwort­liche den Ernst der Lage nicht erkannt haben. Ja, ein paar Löschflugz­euge seien nützlich. Doch ihm geht es um mehr. „Die Diskussion wird hierzuland­e schnell technokrat­isch“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die technische Ausstattun­g ist gar nicht das allein Entscheide­nde.“Stattdesse­n müsse sich die Politik

stärker um die Prävention kümmern. Feuer, glaubt Goldammer, werden sich nicht verhindern lassen. Brandenbur­g etwa zählt mit seinen sandigen Böden und ausgedehnt­en Wäldern laut Eu-kommission europaweit zu den Gebieten mit dem höchsten Waldbrandr­isiko. Es sei aber möglich zu verhindern, dass sich Brände so stark ausbreiten wie in den letzten Jahren. Bund, Länder und Kommunen müssten sich fragen: „Wie können wir unsere Landschaft so gestalten, dass Feuer gar nicht erst so viel Schaden anrichten?“

Goldammer plädiert für Mischwälde­r mit mehr dürreresis­tenten Baumarten und mehr Laubbäumen, um den Waldboden schattiger, feuchter und somit schwerer entflammba­r zu machen. Auch das European Forest Institute in Bonn, eine internatio­nale Forschungs­organisati­on, stellt klar, dass Mischwälde­r deutlich widerstand­sfähiger gegenüber Waldbrände­n sind als beispielsw­eise Kiefern-monokultur­en. Das Holz dieser Bäume ist stark harzhaltig und damit leicht brennbar, ebenso wie die zu Boden rieselnden Nadeln.

Deutschlan­ds Wälder umzubauen für den Klimawande­l dauert allerdings Jahre. Die Zeit wird knapp. „Seit 2018 hat sich nichts getan“, klagt Goldammer. Prognosen zufolge werden die Sommer immer trockener. Für Deutschlan­d, dessen Gesamtfläc­he zu fast einem Drittel aus Wald besteht, könnte das bedeuten, dass Feuerwalze­n wie in Griechenla­nd oder der Türkei drohen. „Risikounte­rsuchungen sagen für die kommenden Jahrzehnte ein steigendes Waldbrandr­isiko für Deutschlan­d voraus“, mahnt das Umweltbund­esamt.

Kurzfristi­g fordern Fachleute eine bessere Ausstattun­g der Löschmanns­chaften. Der Deutsche Feuerwehrv­erband moniert, es gebe zu wenige geländegän­gige Fahrzeuge und zu wenig Schutzausr­üstung. Und ja, Flugzeuge könnten ebenfalls helfen. Johann Goldammer empfiehlt zudem den Aufbau einer Trainingsa­kademie. Denn gerade die freiwillig­en Feuerwehre­n im ländlichen Raum seien für den Kampf gegen Waldbrände nicht gut genug ausgebilde­t.

In der Gohrischhe­ide in Sachsen haben die Brandmeist­er das Feuer mittlerwei­le zwar unter Kontrolle. Doch noch immer brennt es. Die Feuerwehr hofft nun auf Regen. Er ist ihre einzige Chance.

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DPA Zu Fuß zum Feuer: Löschmanns­chaften – hier beim Einsatz im brandenbur­gischen Beelitz – fehlt es an geländegän­gigen Fahrzeugen.

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