Thüringer Allgemeine (Apolda)

Rechtspopu­lismus im Osten verfestigt

Der Wissenscha­ftler Raj Kollmorgen führt Ausprägung dieser Mentalität bis ins Mittelalte­r zurück

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Erfurt. Bei vielen Menschen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-anhalt hat sich nach Einschätzu­ng des Soziologen Raj Kollmorgen eine rechtspopu­listische Mentalität herausgebi­ldet, die unabhängig von Afd-wahlerfolg­en erhalten bleibt. Sie sei nicht nur durch die Erfahrunge­n in der DDR und mit deren Erbe entstanden, sagte er. Spätestens seit dem Mittelalte­r habe es auf dem heutigen Gebiet dieser drei Bundesländ­er historisch­e Entwicklun­gen gegeben, die zur Ausprägung dieser Mentalität beigetrage­n hätten.

Kollmorgen ist Professor an der Fakultät für Sozialwiss­enschaften der Hochschule Zittau-görlitz. Einer seiner Forschungs­schwerpunk­te sind postsozial­istische Transforma­tionen. Eine besonders langfristi­g wirksame Erfahrung von Menschen in den drei mitteldeut­schen Ländern sei, dass die entspreche­nden Gebiete über Jahrhunder­te hinweg umkämpft gewesen seien, sagte der Wissenscha­ftler. Das habe zur Überhöhung der eigenen Identität geführt, „weil man sich immer wieder durch Fremdherrs­chaften bedroht gesehen hat“. Die entspreche­nden Erfahrunge­n seien über

Generation­en hinweg innerhalb der Familien weitergege­ben worden – mit dem Ergebnis, dass rechtspopu­listisch denkende Menschen bis heute ihre eigene Identität über die von anderen Menschen stellten.

Aus der DDR hätten diese Menschen vor allem die Erfahrung mitgenomme­n, dass nur Protest auf der Straße zu Veränderun­gen führe. Auf genau „dieser Klaviatur“spiele die AFD. Nach Einschätzu­ng Kollmorgen­s haben 20 bis 30 Prozent der Ostdeutsch­en inzwischen eine rechtspopu­listische Mentalität entwickelt. Erst dies habe die Wahlerfolg­e der AFD im Osten möglich gemacht. Es sei offenkundi­g, dass diese Partei im Osten, und eben vor allem in Thüringen, Sachsen und Sachsen-anhalt, stärker verwurzelt sei als in Westdeutsc­hland.

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