Schneller als einst Matthes
Der Erfurter Schwimmer Oskar Schildknecht bevorzugt wie der frühere Ausnahmekönner die Rückenstrecken und freut sich auf seine erste Junioren-em
Erfurt. Vor ein paar Jahren noch hat er Autogramme von Roland Matthes am Erfurter Beckenrand geholt. Inzwischen wandelt Oskar Schildknecht nicht bloß auf den Bahnen des einst großen Erfurter Rückenschwimmers. Er gilt als einer der großen Hoffnungsträger im Thüringer Schwimmen und steht vorm ersten internationalen Einsatz.
Mitunter neigt er dazu, zu viel zu wollen. Das hat die Qualifikation für die Junioren-em für den 17-jährigen Erfurter Ende Mai zu einer auf den letzten Drücker werden lassen. Im Abschlussrennen der deutschen Jahrgangsmeisterschaften verteidigte Oskar Schildknecht über 200 m Rücken seinen Titel und schwamm die JEM-NORM. Umso weniger will er sich vor der Premiere in der kommenden Woche unter Druck setzen. Der Wunsch ist groß, ins Halbfinale zu stoßen, sagt er. Wenn Europas beste Schwimmer vom 5. bis 10. Juli in Otopeni (Rumänien) zusammenkommen, will er aber vor allem Erfahrung sammeln und Spaß haben.
„Ich gehe ganz locker rein“, sagt der Blondschopf. Er kann das auch. Als jüngerer Jahrgang hat er im kommenden Jahr noch einmal die Chance anzugreifen und auf den drei Rückenstrecken (50, 100 und 200 m) gegen teils ein Jahr ältere Sportler nur etwas zu gewinnen.
Für das Thüringer Schwimmen ist Schildknechts Jem-teilnahme bereits ein großer Erfolg nach langer Durststrecke. Mit dem Rückentalent schaffte seit mehr als zehn Jahren wieder ein Sportler aus dem Landesleistungszentrum den Sprung auf die kontinentale Bühne.
Trainer Gerald Stern überrascht das weniger. Er traute dem gut 1,90 Meter großen Erfurter die Norm zu und sah das Jem-ticket als Lohn für seinen großen Arbeitseifer. Während des Corona-lockdowns etwa schob er viele Kraft- und Ausdauereinheiten auf dem Rad, um fehlende Wasserzeiten zu kompensieren.
Dennoch stand die Qualifikation Ende Mai Spitz auf Knopf. Nachdem der 17-Jährige vom Erfurter SSC die 100 Meter zu schnell angegangen war und es zu Bronze gereicht hatte, blieb allein die Chance über 200 m. Um gut zwei Zehntelsekunden unterbot er die Richtzeit und stellte in 2:02,55 Minuten seinen dritten Landesrekord auf.
Auf 50, 100 und 200 Metern Rücken ist kein Thüringer schneller geschwommen als Schildknecht. Mit der Goldzeit in Berlin lag er weit unterm olympischen Rekord von 2:09,60 min, den Roland Matthes (gest. 2019) als 17-Jähriger 1968 in Mexiko geschwommen war. Und er lag unterm Weltrekord (2:02,82), mit dem er in München 1972 erneut Olympiasieger geworden war.
Dass die weltbeste Zeit 50 Jahre später gut zehn Sekunden darunter markiert, relativiert den Vergleich. Es lässt die Thüringer aber trotzdem zufrieden und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Vor allem Oskar Schildknecht selbst. Der Jem-start ist eher Antrieb als Ruhekissen.