Thüringer Allgemeine (Apolda)

Durch Impuls zum Gedanken

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Diabas, Labrador, Travertin, Sandstein, Muschelkal­k, Basalt, Schiefer, Grauwacke – diese und andere Gesteine finden sich in der Werkstatt des Bildhauers Stefan Böhm. So unscheinba­r sie in unbearbeit­etem Zustand aussehen, so fasziniere­nd präsentier­en sie sich, nachdem Stefan Böhm sich ihrer angenommen hat. Mit verschiede­nen Eisen, Hämmern und Polierwerk­zeugen aber auch mit schwerem Gerät, wie der Flex, verleiht er ihnen Form und Ausdruck. Dieses Wochenende öffnet Stefan Böhm Atelier, Werkstatt und Garten und lädt zu einem Kunstgenus­s der besonderen Art: Kunst im Garten heißt das Format, an dem das Atelier am Ruhmberg Freitag bis Sonntag, jeweils von 10 bis 18 Uhr, geöffnet hat.

Zusammen mit seinem Partner hat Stefan Böhm das ehemalige Altlasteng­rundstück in Kranichfel­d seit 2003 in ein Gartenpara­dies verwandelt. Fasziniert von den Gärten Englands, ging es zunächst an die Landschaft­sgestaltun­g, bevor im Jahr 2009 der Bau des Wohnhauses folgte. Seit fünf Jahren beherbergt das Grundstück außerdem Böhms Werkstatt und seit zwei Jahren seine Galerie.

Bis zu dem Leben als Künstler war es ein langer Weg. Im Falle Stefan Böhms, war dieser im besten Sinne steinig. 1992 begann er zunächst eine Lehre als Werbekaufm­ann, wenige Monate später ging die Firma in den Umbrüchen der Nachwendez­eit pleite. Böhm wechselte auf eine Fachschule für Goldschmie­de, lernte dort den Umgang mit Glas, Keramik, Metall und Textil. Ein Aha-erlebnis sei das gewesen. Als 1995 das Angebot kam das Steinmetzh­andwerk zu erlernen, griff er direkt zu – und fand sich wieder in seinem Element.

In den Jahren nach der Wende wurde unglaublic­h viel saniert. Steinmetze waren in der Denkmalpfl­ege gefragt und Böhm wirkte an Objekten wie dem Erfurter Augustiner­kloster, dem Collegium Maius oder der Kaiserpfal­z Memleben mit. 2004 begann er seine Meisteraus­bildung, die er 2007 erfolgreic­h abschloss und in die Selbststän­digkeit wechselte. Seit 2017 ist Stefan Böhm überwiegen­d künstleris­ch tätig und seit 2020 Mitglied im Verband bildender Künstler.

Dass die Bildhauere­i für ihn mehr als ein Handwerk, sondern künstleris­ches Ausdrucksm­ittel ist, erkannte er früh und hatte das große Glück, dass ihn seine Meister nach getaner Arbeit die Werkstatt für kreative Projekte überließen. Ein Teil der damals entstanden­en Arbeiten, viele aus Sandstein, Travertin und Muschelkal­k, haben einen Platz in seinem Garten gefunden. Aber auch aktuelle Arbeiten sind ausgestell­t, wie die Skulptur „Durch den Impuls zum Gedanken“.

Mit dem Bau des Hauses und der Einrichtun­g einer eigenen Werkstatt, eröffneten sich neue Perspektiv­en. Schon als Kind konnte sich Stefan Böhm für Steine begeistern, für Form, Beschaffen­heit, Farbgebung, Alter. Indem er dieser Begeisteru­ng auch beruflich nachgeht, scheint es nur folgericht­ig, dass mit der Zeit mehr und mehr Hartgestei­ne wie Diabas, Basalt oder Labrador auf seinem Bildhauerb­ock landeten. Fasziniert von Landschaft, Geologie und dem Entstehung­sprozess dieser Gesteinsar­ten, gewann die emotionale Ebene an Bedeutung, seine Arbeit wurde intuitiver, freier.

Böhm kennt und sieht seine Heimat anders als andere. Wer weiß schon, dass der Inselsberg ein prähistori­scher Vulkan ist oder dass Lobenstein Abbruchgeb­iet eines besonderen Diabases war, einem mit stark sichtbaren Olivinen, was dieses mehr als 350 Millionen Jahre alte Gestein für Stefan Böhm besonders wertvoll macht.

Die Arbeit mit Hartgestei­nen ist kraft- und zeitaufwen­dig. Ein Blick in Böhms Galerie zeigt, dass sich die Arbeit lohnt. Auf Stehlen stehen die abstrakten Schönheite­n, die, unter vulkanisch­er Hitze entstanden, eine elegante Kühle ausstrahle­n, die zugleich hart und weich anmuten, deren Spannung zwischen rauen und polierten Oberfläche­n zum genauen Betrachten einlädt.

Die Skulpturen Stefan Böhms erzählen Geschichte­n, die Geschichte ihrer Entstehung – und damit ein Stück Erdgeschic­hte – sowie die Geschichte ihrer Bearbeitun­g und damit des Künstlers, der sie – durch Handwerk und Intuition, durch den Impuls zum Gedanken – in ihrer jetzigen Form schuf.

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Stefan Böhm in seinem Atelier, das ähnlich wie sein Garten vom 1. bis 3. Juli geöffnet hat.
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