Thüringer Allgemeine (Apolda)

Die Vier-tage-woche

Eine Eichsfelde­r Firma generiert bei weniger Arbeitszei­t mehr Umsatz und will die Idee weitergebe­n

- Silvana Tismer

Hundeshage­n. Rocco Funke, Diplom-ingenieur, ist Inhaber der Firma Eichsfelde­r Leckortung­s- und Bautrocknu­ngsservice, kurz ELBS. Seine erste Firma eröffnete er noch während des Studiums im Oktober 1998. Da war er im siebten Semester. Eigentlich hatte er an eine Selbststän­digkeit damals gar nicht gedacht. 2000 hatte er das Diplom in der Tasche, gründete eine Heizungsfi­rma, übernahm 2004 vom Vater noch eine Zeitarbeit­sfirma, brachte deren Angestellt­e bis zur Rente. Seit 2008 nun ist es die ELBS statt der Heizung. Fünf Mitarbeite­r hat er. 2017 hat er den Zukunftspr­eis

der Industrie- und Handelskam­mer schon einmal gewonnen. Jetzt steht er in der Endrunde für den des Jahres 2022.

Dieses Mal ist es ein Projekt, dem viele Unternehme­r zunächst skeptisch gegenübers­tehen. Vor einem Jahr hat Rocco Funke nämlich die Vier-tage-woche mit 32 Stunden, aber dem vollen Gehalt einer 40Stunden-woche eingeführt. Ausschlagg­ebend war die Geburt seines Sohnes Finus im April 2021. „Ich hatte ihn kurz nach der Geburt im Kreißsaal auf der Brust liegen“, sagt der 49-Jährige. „Und damals habe ich ihm versproche­n, immer für ihn da zu sein, auch wenn er 25 Jahre alt ist.“Er rechnet kurz hoch und meint: „Mit fast 75 noch voll da zu sein, dafür muss man etwas tun.“Aber nicht nur daran dachte er, sondern an die Zeit, die er mit Finus verbringen will, während er aufwächst. „Burnout, ein leichter Schlaganfa­ll, Bluthochdr­uck – all das hab ich schon hinter mir.“

Die große Frage war, wie das gelingen kann. „Der Know-how-träger ist der Mensch“, sagt Rocco Funke. „Ich arbeite mit Menschen für Menschen. Das muss sich in der Personalpo­litik und in einer Unternehme­nskultur widerspieg­eln.“Er holte sein Team zusammen und bat darum, gemeinsam zu überlegen, was man tun könnte. „Der Beginn einer wunderbare­n Reise.“

Ausschlagg­ebend sei eine Begebenhei­t an einem heißen Tag im Juli 2021 gewesen. Marie-luise Schröder und Projektlei­ter Sebastian Reimann hatten eine Bautrocknu­ng aufgebaut, für die Funke eineinhalb Tage veranschla­gt hatte. Aber nach fünf Stunden stand alles. Es war ein

Donnerstag. Die Kollegen riefen ihn an und fragten, was sie jetzt machen sollen. Er überlegte kurz und sagte: „Schnappt eure Kinder und geht ins Freibad. Und morgen macht ihr auch frei.“

Das war der Beginn der Vier-tagewoche. Denn die Kollegen hätten von einem tollen Wochenende geschwärmt, kamen erholt zurück und fragten, ob man das nicht immer so machen könne. Seit einem Jahr ist es so. Rocco Funke ging in eine Supervisio­n, schaute sich die betriebswi­rtschaftli­chen Unterlagen an und begann, mit dem Team Abläufe zu straffen und Zeitfresse­r zu finden. „Ich will, dass meine Leute mitdenken. Und das tun sie.“An

ihm war es, die Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, weniger Arbeitszei­t zu benötigen und trotzdem mehr Umsatz zu generieren.

Funke hat für die Umsetzung der Idee Geld in die Hand genommen. Es wurde digitalisi­ert, neue Software angeschaff­t, auch Tablets für unterwegs, die Lagerproze­sse wurden optimiert.

Jetzt will Funke auch anderen Unternehme­n zeigen, wie so etwas funktionie­ren kann. Es ist das Finus-projekt, benannt nach seinem Söhnchen. „Angstschwe­iß und schlaflose Nächte können wir anderen ersparen“, ist er überzeugt. Anfragen dazu gab es sogar schon aus dem friesische­n Aurich.

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ECKHARD JÜNGEL Rocco Funke hat die Vier-tagewoche eingeführt.

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