Weimarer Traditionsgeschäft schließt
143 Jahre nach der Firmengründung geht vor Weihnachten die Geschichte eines Originals im Einzelhandel zu Ende
„Nach mir ist Schluss, aber das dauert noch eine Weile“, sagte Christina Harfenmeister 2011 unserem unvergessenen Kolumnisten Bernhard Hecker. Jetzt, zwölf Jahre später, ist die Weile vorüber. Die 67Jährige, seit 30 Jahren Inhaberin des Fachgeschäftes „Bruno Keck“in der Karl-liebknecht-straße, wird sich in der Woche vor Weihnachten – auf den genauen Tag hat sie sich noch nicht festgelegt – aus Weimars Einzelhandel verabschieden und ihren Laden schließen.
Ihr Urgroßvater Bruno Keck hatte das Geschäft 1880 gegründet, als Buchbinderei mit Papierhandlung, seinerzeit noch auf der gegenüberliegenden Seite der damaligen Bürgerschulstraße. Keck war aktiver Sozialdemokrat und Stadtratsmitglied. In seinem Laden gab es die russische sozialistische Zeitung „Iskra“. Auch Wilhelm und Karl Liebknecht sowie Rosa Luxemburg sollen öfter im Geschäft gewesen sein.
Mit dem Tod Kecks übernahmen seine Töchter Anna und Gertrud Verantwortung für das Unternehmen und betrieben es weiter als
Papier- und Schreibwarenhandlung. 1948 zog die Familie ins damals neu gebaute Haus um, das dem Laden bis heute sein Dach bietet. 1955 empfahl sich Herbert Brockmann, der Neffe der beiden Inhaberinnen, für die Nachfolge.
Herbert Brockmann und seine Frau Ingeborg brachten ihr Refugium zu Kult-status. Hier gab es Dinge, nach denen man andernorts nahezu aussichtslos suchte – von der Weihnachtspyramide bis zum legendären Abreißkalender. Tochter Christina Harfenmeister stieg gleich nach der Lehre vor 47 Jahren ins elterliche Unternehmen ein. 1993 übernahm sie die Führung.
Bauhausmuseum bringt nicht den erhofften Effekt
Sieben Jahre später verordnete sie ihrem Laden einen Wandel. „Ausschließlich mit Bürobedarf zu handeln, hat mir keinen Spaß mehr gemacht. Ich wollte etwas Schönes und Besonderes ins Geschäft holen, das dem Laden ein unverwechselbares angenehmes Gesicht gibt.“Seinerzeit gesellten sich Taschen, Kinderkleidung und allerlei Dekoratives in die Auslagen.
Es dauerte nicht lange, da deutete sich eines an: Die Geschäftslage, die früher als ausgezeichnet galt, entwickelte sich zum Durchgangszimmer zwischen Bahnhof und Innenstadt. Besserung versprach sich Harfenmeister vom Bau des neuen Bauhausmuseums und den Ankündigungen, hier eine belebte Museumsmeile zu entwickeln. „Leider hat sich das nicht bewahrheitet.“
Stattdessen habe die Inflation auch vor dem Weimarer Original nicht Halt gemacht. „Die Unkosten sind inzwischen höher als das, was man erwirtschaften kann. Es lohnt sich nicht mehr. Ich möchte nicht mehr. Man muss einsehen, wenn es vorbei ist.“Wäre die wirtschaftliche Perspektive anders, hätte sie wohl noch ein paar Jahre drangehängt. So wie ihre Mutter, die erst mit 87 Jahren aus dem Geschäft ausschied.
Auch Harfenmeister fällt der Schritt nicht leicht. „Der Laden ist mein Baby“, sagt sie. Ganz hoffnungslos scheint die Zukunft auch für den Laden nicht. Im neuen Jahr wird hier das Hanf-kontor aus der Jakobstraße, das sich vergrößern möchte, einziehen. Auch der Paketshop wird weiter Bestand haben.