Der stille Glöckner von St. Georg in Schellroda
Roland Glöckner muss mit seinen inzwischen 77 Jahren nicht mehr bis ganz nach oben in den Kirchturm klettern
Jetzt hat sie zum ersten Mal das neue Jahr mit eingeläutet: „Wenn beide Glocken angeschlagen werden, kann man nicht mehr hoch in den Turm, so laut ist das“, sagt der Schellrodaer, der seit rund 40 Jahren zuverlässig dieses Ehrenamt in der Kirchengemeinde versieht. Gemeinsam mit anderen Gemeindemitgliedern ging er nach dem Geläut hinauf in die Turmstube, um von dort wie in jedem Jahr den besonderen Blick auf das Silvesterfeuerwerk zu genießen. Und der 77Jährige amtiert nicht nur als Glöckner im kleinen Klettbacher Ortsteil. Sondern er heißt auch so: Glöckner. Mit Vornamen Roland.
Schon sein Vater machte diesem Namen alle Ehre und läutete in seinem sächsischen Heimatort Rabenau bei Dresden die Kirchenglocken. Roland Glöckner kam von dort der Liebe wegen nach Thüringen: Er hatte beim Militärdienst in der Rhön seine spätere Frau Christel kennengelernt, suchte sich danach eine Arbeit als Techniker im Erfurter Optima-rechenzentrum.
Einmal im Jahr kommt auch der Staubsauger mit nach oben
Der Betrieb besorgte ihm eine Wohnungszuweisung: In der alten Schule in Schellroda war etwas frei geworden. „Damals war das Glockenläuten eine Aufgabe, die immer mal innerhalb der Gemeinde wechselte“, erinnert sich Glöckner. „Dann war ich irgendwann mal an der Reihe.“Und der Mann, der direkt neben dem Gotteshaus St. Georg wohnte, gab sie irgendwann nicht wieder her.
Jeden Samstagabend kletterte er über einen engen Treppenaufgang
nach oben, um punkt 18 Uhr den Sonntag einzuläuten. Vor Gottesdiensten griff er ebenfalls zu den Seilen. Und wenn im Dorf ein Sterbefall zu beklagen war, begleitete Roland Glöckner den traurigen Anlass mit dem Totengeläut, stets 6 Uhr morgens.
Einmal im Jahr, meist in der Vorweihnachtszeit, nahm er Besen, Kehrschaufel und Staubsauger mit in den Turm und säuberte gründlich den Aufgang sowie die Räume. Die alte Schule kaufte er der Gemeinde
1982 ab und nach der Wende auch das dazugehörige Grundstück. „Wenn man so dicht an der Kirche wohnt, guckt man natürlich immer mal nach dem Rechten“, sagt er. Und pflegte über viele Jahre hinweg vorbildlich den Kirchgarten. Seine Tochter Antje und ihr Mann Thomas legten dort vor rund einem Jahr ein neues Staudenbeet an, und Christel Glöckner versorgte stets die Handwerker, die sich an der Kirche betätigten, mit Kaffee sowie oft auch Mittagessen.
Das Glockenläuten ist seit einigen Wochen deutlich weniger beschwerlich als zuvor: Kein Kraxeln mehr über die enge Treppe bis nach oben, stattdessen befindet sich in der unteren Turmstube ein Knopf, welcher die elektrische Läute-anlage in Betrieb setzt.
Im Zuge des Gusses, der Weihe und Einsetzung der zweiten Glocke, die einen leeren Platz im Glockenstuhl ausfüllt und den Namen „Friedensglocke“bekam (unsere Zeitung berichtete), ließ die Kirchengemeinde
die technische Neuerung mit einbauen. Roland Glöckner vermisst die Anstrengung bisher nicht, seine Tochter hingegen durchaus ein wenig: „Ich hatte sie gerade angelernt, damit sie die Aufgabe irgendwann komplett von mir übernimmt“, schmunzelt er.
Aber natürlich ist seine Arbeit längst nicht beendet: Um das Uhrwerk im Kirchturm zu kontrollieren, pflegen und justieren, muss er ab und zu immer noch nach oben kraxeln.