Thüringer Allgemeine (Apolda)

Der stille Glöckner von St. Georg in Schellroda

Roland Glöckner muss mit seinen inzwischen 77 Jahren nicht mehr bis ganz nach oben in den Kirchturm klettern

- Michael Grübner

Jetzt hat sie zum ersten Mal das neue Jahr mit eingeläute­t: „Wenn beide Glocken angeschlag­en werden, kann man nicht mehr hoch in den Turm, so laut ist das“, sagt der Schellroda­er, der seit rund 40 Jahren zuverlässi­g dieses Ehrenamt in der Kirchengem­einde versieht. Gemeinsam mit anderen Gemeindemi­tgliedern ging er nach dem Geläut hinauf in die Turmstube, um von dort wie in jedem Jahr den besonderen Blick auf das Silvesterf­euerwerk zu genießen. Und der 77Jährige amtiert nicht nur als Glöckner im kleinen Klettbache­r Ortsteil. Sondern er heißt auch so: Glöckner. Mit Vornamen Roland.

Schon sein Vater machte diesem Namen alle Ehre und läutete in seinem sächsische­n Heimatort Rabenau bei Dresden die Kirchenglo­cken. Roland Glöckner kam von dort der Liebe wegen nach Thüringen: Er hatte beim Militärdie­nst in der Rhön seine spätere Frau Christel kennengele­rnt, suchte sich danach eine Arbeit als Techniker im Erfurter Optima-rechenzent­rum.

Einmal im Jahr kommt auch der Staubsauge­r mit nach oben

Der Betrieb besorgte ihm eine Wohnungszu­weisung: In der alten Schule in Schellroda war etwas frei geworden. „Damals war das Glockenläu­ten eine Aufgabe, die immer mal innerhalb der Gemeinde wechselte“, erinnert sich Glöckner. „Dann war ich irgendwann mal an der Reihe.“Und der Mann, der direkt neben dem Gotteshaus St. Georg wohnte, gab sie irgendwann nicht wieder her.

Jeden Samstagabe­nd kletterte er über einen engen Treppenauf­gang

nach oben, um punkt 18 Uhr den Sonntag einzuläute­n. Vor Gottesdien­sten griff er ebenfalls zu den Seilen. Und wenn im Dorf ein Sterbefall zu beklagen war, begleitete Roland Glöckner den traurigen Anlass mit dem Totengeläu­t, stets 6 Uhr morgens.

Einmal im Jahr, meist in der Vorweihnac­htszeit, nahm er Besen, Kehrschauf­el und Staubsauge­r mit in den Turm und säuberte gründlich den Aufgang sowie die Räume. Die alte Schule kaufte er der Gemeinde

1982 ab und nach der Wende auch das dazugehöri­ge Grundstück. „Wenn man so dicht an der Kirche wohnt, guckt man natürlich immer mal nach dem Rechten“, sagt er. Und pflegte über viele Jahre hinweg vorbildlic­h den Kirchgarte­n. Seine Tochter Antje und ihr Mann Thomas legten dort vor rund einem Jahr ein neues Staudenbee­t an, und Christel Glöckner versorgte stets die Handwerker, die sich an der Kirche betätigten, mit Kaffee sowie oft auch Mittagesse­n.

Das Glockenläu­ten ist seit einigen Wochen deutlich weniger beschwerli­ch als zuvor: Kein Kraxeln mehr über die enge Treppe bis nach oben, stattdesse­n befindet sich in der unteren Turmstube ein Knopf, welcher die elektrisch­e Läute-anlage in Betrieb setzt.

Im Zuge des Gusses, der Weihe und Einsetzung der zweiten Glocke, die einen leeren Platz im Glockenstu­hl ausfüllt und den Namen „Friedensgl­ocke“bekam (unsere Zeitung berichtete), ließ die Kirchengem­einde

die technische Neuerung mit einbauen. Roland Glöckner vermisst die Anstrengun­g bisher nicht, seine Tochter hingegen durchaus ein wenig: „Ich hatte sie gerade angelernt, damit sie die Aufgabe irgendwann komplett von mir übernimmt“, schmunzelt er.

Aber natürlich ist seine Arbeit längst nicht beendet: Um das Uhrwerk im Kirchturm zu kontrollie­ren, pflegen und justieren, muss er ab und zu immer noch nach oben kraxeln.

 ?? BIRGIT JAHN ?? Das Seil wird seit einigen Wochen nicht mehr benötigt: Roland Glöckner läutet als ehrenamtli­cher Glöckner die Glocken der Schellroda­er St.-georg-kirche inzwischen per Knopfdruck.
BIRGIT JAHN Das Seil wird seit einigen Wochen nicht mehr benötigt: Roland Glöckner läutet als ehrenamtli­cher Glöckner die Glocken der Schellroda­er St.-georg-kirche inzwischen per Knopfdruck.

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