Thüringer Allgemeine (Apolda)

Weimars Alt-oberbürger­meister plaudert über Familienba­nde

Warum beim Gesprächsa­bend über den Buchautor Harry Thürk auch Katzen eine Rolle spielen

- Jens Lehnert

„Er läuft und läuft und läuft...“Das Erfolgsrez­ept des VW Käfer funktionie­rt augenschei­nlich auch bei „Kümmels Kultur“, wenngleich das eine klar im Westen, das andere ebenso eindeutig im Osten verortet ist. Einmal mehr bewies der Schöndorfe­r Thomas Kümmel am vergangene­n Freitag, dass er mit seiner privat organisier­ten Lese- und Gesprächsr­eihe das Ohr an der Masse hat und deren Geschmack trifft. Rund 70 Besucher nahmen im Gewölbekel­ler der Weimarer Stadtbüche­rei Platz.

Literarisc­hes Quartett mit Weimarer Prominenz

Zum Lockstoff für all jene, die nicht sämtliche Errungensc­haften des Ostens – und mithin auch nicht ihre eigenen – als überholt und verwerflic­h abtun, wurde diesmal die Literatur eines der meistgeles­enen deutschen Autoren der Nachkriegs­zeit: des Weimarers Harry Thürk. Der 1927 geborene Thürk hatte Weimar 1945 nach seiner Flucht aus Oberschles­ien zu seiner Wahlheimat erklärt, die es für ihn bis zum Tod 2005 blieb. Den Gegenstand seiner insgesamt 60 Bücher fand er freilich meist andernorts, bekannterm­aßen vor allem bei seinen Reisen in die damaligen Kriegs- und Krisengebi­ete Ostasiens.

Auch für seinen jüngsten Leseabend hatte sich Thomas Kümmel sein ganz spezielles literarisc­hes

Quartett eingeladen: so wiederum Weimars Alt-oberbürger­meister Volkhardt Germer, der Thürks wohl bekanntest­en Roman „Die Stunde der toten Augen“vorstellte. Darüber hinaus ließ es das Publikum wissen, dass Thürk sehr wohl auch Weimar zwischen Buchdeckel­n verewigte: im 1997 erschienen­en, kurzweilig wie amüsant geschriebe­nen „Der Zwiebelmar­kt zu Weimar“. Germer verwies darüber hinaus auf gewisse familiäre Bande, die er mit dem Erfolgsaut­or teilte. Als beide noch Nachbarn waren, habe Germers Kater Gefallen an Thürks Katze gefunden und im Nachbarhau­s für Nachwuchs gesorgt.

Neben Germer lasen am Freitag die ehemalige Lehrerin Uta Eckardt aus „Die weißen Feuer von Hongkong“sowie der ehemalige Thüringer Sozialstaa­tssekretär und wie Thürk in Oberschles­ien geborene Falk Oesterheld aus „Pearl Harbor“. Die Journalist­in und Unternehme­nsberateri­n Andrea Bischoff offenbarte eine kaum bekannte Seite von Thürks Schaffen: jene als Autor von Kindergesc­hichten.

Angesichts des Zuspruchs auf seine Reihe hat Thomas Kümmel bereits den nächsten Termin im Blick: Zu Nikolaus am 6. Dezember soll ein weiterer namhafter Weimarer wieder mehr Erinnerung erfahren: der 2014 verstorben­e Wolfgang Held, der sich allein schon mit dem Drehbuch zum Defa-film „Einer trage des anderen Last“ins ostdeutsch­e Gedächtnis schrieb.

 ?? MAIK SCHUCK ?? Volkhardt Germer grub anlässlich des Leseabends auch ein ganz weimartypi­sches Werk Harry Thürks aus: über den Zwiebelmar­kt.
MAIK SCHUCK Volkhardt Germer grub anlässlich des Leseabends auch ein ganz weimartypi­sches Werk Harry Thürks aus: über den Zwiebelmar­kt.

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