Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Ein Hoch auf den Tischenzwisch!
Was ist das wichtigste Möbel in einem Mehr-Personen-Haushalt? Der Esstisch? Die Fernsehcouch? Oder das Doppelbett?
Nein, der Tischenzwisch.
Wie, den kennen Sie nicht?
Doch, doch, den kennen Sie.
Einen Tischenzwisch gibt es überall. Vielleicht heißt er bei Ihnen nur nicht so. Bei uns ist er, was ich lange nicht wusste, zwischen zwei Stockwerken postiert. Er kann aber auch zwischen zwei Räumen auf ein und derselben Etage, etwa zwischen Küche und Wohnzimmer oder Schlafstube und Badezimmer, stehen.
„Das gehört in den Keller, tu das mal auf den Tischenzwisch“, sagte K.
Ich starrte verständnislos auf das Glas mit dem Quittenlikör, das sie mir hinhielt.
„Wohin?“
„Na, auf den Zwischentisch...“
Ich musste an den Dichter Ernst Jandl und sein „manche meinen, lechts und rinks kann man nicht velwechsern“denken und lachte.
Unser Tischenzwisch ist aber nicht nur ein lustiger Versprecher, sondern auch ein immerwährendes Versprechen.
„Nimm, wenn du runter gehst, die leere Weinflasche mit!“heißt es. Oder: „Wenn du hochgehst, vergiss deine Bücher nicht!“Natürlich geht man nie sofort hoch oder runter, so landet alles Überflüssige oder momentan nicht Gebrauchte auf besagtem Tischchen. Und dort liegt es dann und liegt. Aus den Augen aus dem Sinn ...
Nun, man sieht es schon, aber nur bei gutem Willen, da unser Tischenzwisch im zwielichtigen Halbdunkel des Treppenhauses verharrt. Zu unrecht, wie ich finde, denn er kann sich wirklich sehen lassen: mit seinen kunstvoll verdrehten und sich kreuzenden schmiedeeisernen Beinen und der Marmorplatte, die noch ein kleines Geländer ziert.
Was liegt drauf?
Zwei ausgelesene Morane, eine Schapppachtel, die kleine Sandhäge, zwei, drei Wockenlickler, meine Klosenhammern und ein Phartsmon-Kadelabel. Was liegt drunter?
Eine Packung Taubsaugerstüten, ein Paar Landasetten, das Lindwicht sowie leere Kilör- und Bellerkierflaschen.
Wo läge das alles, wenn es keinen Tischenzwisch gäbe?
Im Wege. Im Wege.
Irgendwie erinnert mich der Tischenzwisch an Jandls „Tagesplan“: „gestern machte ich mir einen tagesplan für heute / heute stehe ich auf und schaue lange nicht darauf / es steht darauf was noch nicht getan ist / und noch heute soll das alles getan werden / und wer soll es sein der das tut / diese frage ist nicht gut / und die antwort darauf auch nicht.“