Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
„Wir warten immer auf den Allerletzten“
Der Streckenstützpunkt Schmücke ist längst der ganz persönliche Marathon des 77-jährigen Werner Lipicar geworden
Schmücke.
Mit etwa 30 Helfern aus Suhl-Goldlauter fing vor 45 Jahren alles an. An der Schmücke standen die Frauen und Männer morgens ab Sonnenaufgang, um die Rennsteigläufer, die in den kommenden Stunden den Streckenstützpunkt passieren sollten, mit Getränken und einem kleinen Snack zu stärken, zum Durchhalten zu motivieren. Jahr für Jahr – und bis vor fünf Jahren unter der Leitung von Werner Lipicar.
Selbst zu laufen? Das hätte ihn schon gereizt. „Aber ich hatte keine Kondition“, gesteht der kleine, drahtige Mann freimütig. „Und die Organisation des Schmücke-Stützpunktes war schließlich auch eine Herausforderung!“. Der einstige Werkzeugmacher kann sich noch gut an die Anfangsjahre erinnern. Die sind mit dem heutigen Laufspektakel kaum noch zu vergleichen. Jahr für Jahr wurden es mehr Läufer und Lipicar war immer auf der Suche nach neuen Leuten für seine Truppe. „Ich hätte nie gedacht, dass irgend wann mal Tausende über den Rennsteig sprinten“, sagt Lipicar.
Für ihn ist es schließlich zur Passion geworden, sich alljährlich um die Verpflegung der Läufer, aber auch der 16 Streckenposten und Sanitäter zu kümmern. Und dafür bewies er eine perfekte Kondition! Auch am Samstag schmierte der 77-Jährige ab 6 Uhr morgens im Schmücke-Hotel wieder mit den anderen Helfern Schnitten für die Supermarathon-Teilnehmer und packte Verpflegungsbeutel für die Streckenposten.
„Wasser!“, „Apfelschorle!“, „Tee!“, „Cola!“rufen die Frauen und Männer vor dem Schmücke-Gasthof unermüdlich im- mer und immer wieder und strecken den Vorbeieilenden die gefüllten Pappbecher entgegen. Manch einer greift hektisch zu, verschüttet die Hälfte der ersehnten Erfrischung; andere stoppen, trinken in Ruhe, laufen dann weiter. Mitunter reicht es sogar für einen kleinen Plausch oder ein Selfie. Am Rand steht Lipicar und beobachtet die Szenerie. Die leeren Becher treffen nicht immer die aufgestellten Müllbehälter. Macht nichts, dafür sind die Helfer da. Doch was erstaunt: Beim Zugreifen am Stand sagen sie fast alle „Danke!“. Ganz egal wie gut sie in der Zeit liegen; egal, wie abgekämpft sie sind. Das Engagement der Helfer wird honoriert. Werner Lipicar freut sich darüber. Was er und seine Mitstreiter tun, macht Sinn.
Mittlerweile kümmern sich fast 90 Goldlauterer um das leibliche Wohl der Läufer. Am frühen Samstagmorgen kamen sie aus alter Verbundenheit aus dem Tal hinauf zur Schmücke in den Nachbarkreis, trotzten gutgelaunt und ambitioniert den Nebelschwaden, stellten Tische und Bänke auf, schälten und schnitten Bananen, verteilten die Getränkekartons und -behäl- ter. Und versorgten schließlich alle der Vorbeikommenden – standfest über knapp zehn Stunden lang. Ungeachtet aller Wetterkapriolen und ungeachtet der Kondition der Teilnehmer. „Wir warten immer auf den allerletzten Läufer“, sagt Lipicar. „Auch wenn der erst gegen 17 Uhr vorbeikommt!“
Seit 2012 hält als sein Nachfolger Jens Oleynik die Fäden der Organisation in der Hand. Doch so lange es seine Gesundheit zulässt, will Werner Lipicar dabei sein.
Es ist längst sein ganz persönlicher Marathon geworden.