Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Dubiose Geschäfte ohne Anklage
Über Jahre ermittelten das Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Erfurt zu betrügerischen Immobilienkrediten
Erfurt.
Armenische Mafiaclans sollen in Erfurt seit Jahren Kreditbetrugsgeschäfte organisieren. Laut MDR führen Spuren auch zur Landesbausparkasse Hessen-Thüringen (LBS), zur Sparkasse Mittelthüringen und zu weiteren Banken. Das soll aus Ermittlungsunterlagen des Bundeskriminalamtes (BKA) hervorgehen. Der Sender berichtete gestern Abend über mögliche Verstrickungen.
„Die Landesbausparkasse Hessen-Thüringen habe erst am 16. August 2011 durch eine Durchsuchung eines Finanzcenters von den Ermittlungen gegen einen damaligen Handelsvertreter der LBS erfahren“, sagte gestern Sprecherin Sabine Schmitt der Thüringer Allgemeinen. Von der Razzia betroffen war die Zentrale in Erfurt. Noch am selben Tag trennte sich die LBS von dem Handelsvertreter.
Die Ermittlungen wurden 2015 eingestellt
Die Sprecherin betonte, dass sich die Ermittlungen nicht gegen die Bausparkasse gerichtet hätten. Diese versuche aber eigene Ansprüche zivilrechtlich gegenüber dem Handelsvertreter durchzusetzen.
Zwischen 2011 und 2014 sei die Sparkasse Mittelthüringen „Opfer eines systematischen Immobilienfinanzierungsbetrugs geworden“, sagte Katharine Höhne, Abteilungsleiterin Vorstandsstab auf Nachfrage. Umfangreiche Prüfungen hätten 2014 ergeben, dass Kreditver- mittler mit verschieden Personen in betrügerischer Absicht gegenüber der Sparkasse aufgetreten seien. Das Kreditinstitut erstattete 2014 Anzeige und übergab einen entsprechenden Prüfbericht den Ermittlern. Zu keiner Zeit sei erkennbar gewesen, dass „hinter diesem systematischen Betrug mit Immobilienfinanzierungsdarlehen die armenische Mafia steht oder stand“, betonte die Sprecherin.
Laut MDR sollen an verdächtigen Geschäften mutmaßliche Mitglieder der armenischen Mafia, aber auch frühere Bankmitarbeiter und freie Kreditvermittler – die LBS spricht von Handelsvertretern – beteiligt gewesen sein. Die Ermittler gingen davon aus, dass hinter den Kreditgeschäften ein Geldwäschesystem steckt. Das Bundeskriminalamt und die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelten zwi- schen 2009 und 2015 gegen die armenische Mafia in Thüringen.
Erst bei diesem komplexen Verfahren stießen die Sicherheitsbehörden laut MDR auch auf die mutmaßlichen Kreditbetrügereien sowie direkte Kontakte zwischen Mafia und Bankmitarbeitern.
Die Kredite wurden in den meisten Fällen von Strohleuten mit gefälschten Angaben beantragt. Die Mafia-Bosse sollen die Strohleute organisiert und den Kontakt zu freien Kreditvermittlern hergestellt haben. Laut Abhörprotokollen des BKA gab es direkte Kontakte zu Bankmitarbeitern. Diese wiederum regelten mit gefälschten Unterlagen die Vergabe der Darlehen.
So seien die Mafiaclans an sauberes Geld gekommen, um ihre Einnahmen aus kriminellen Geschäften waschen zu können, vermuten die Ermittler.
2015 stellte die Staatsanwaltschaft Erfurt das Verfahren ein. Damit gelangten all die Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, aber beispielsweise auch wegen Betruges oder Urkundenfälschung, nicht zur Anklage und zur Verhandlung vor einem Gericht.
Nach Recherchen des MDR sollen diese Kreditbetrugsgeschäfte in Thüringen noch immer laufen.