Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Abschiebung in den Krieg
über die Flüchtlinge aus Afghanistan
Das Dilemma, das spätestens seit zwei Jahren die Republik spaltet, lässt sich an keinem Land besser erzählen als an Afghanistan. Kann man Menschen, die es von dort unter unvorstellbaren Strapazen und Risiken hierher schafften, zurückschicken?
Um einen Aphorismus abzuwandeln: Wer diese Frage ausschließlich mit Ja beantwortet, hat kein Herz. Wer sie undifferenziert mit Nein beantwortet, hat keinen Verstand.
Afghanistan ist ein gefährliches Land, das Warlords, die Taliban und mehrheitlich korrupte Politiker unter sich aufgeteilt haben. Es ist ein Land, in dem Krieg und Terror herrschen und in dem vielerorts kein freies, sicheres Leben möglich erscheint.
Allerdings ist es auch eine Tatsache, dass im vorigen Jahr mehr als 3000 Afghanen freiwillig zurückkehrten. Gleichzeitig hat Afghanistan nicht nur in der Vergangenheit Terrorismus exportiert. In Deutschland leben Hunderte sogenannte Gefährder, verurteilte Straftäter oder Antragsteller, die das Asylverfahren systematisch boykottieren.
Es kann daher keinen pauschalen, zeitlich unbegrenzten Abschiebestopp für Afghanistan geben. Dies wäre nicht nur rechtswidrig, sondern sendete genau das Signal zum Hindukusch, das schon einmal falsch verstanden wurde. Gleichzeitig darf kein Leben eines Rückkehrers bewusst riskiert werden.
Der deutsche Staat muss also abwägen und immer wieder temporäre, angepasste Lösungen finden, die dem Grundgesetz und den UN-Konventionen genügen. Das ist anstrengender, als nur Ja oder Nein zu sagen. Aber es ist ehrlicher.