Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Sonde fliegt zum Merkur – Jenaer Sensor fliegt mit
Europas erste Mission zu dem Planeten mit dem geringsten Abstand zur Sonne soll am Samstagmorgen vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana starten
Jena/Darmstadt/Kourou. Der sonnennächste Planet Merkur birgt viele Geheimnisse. Um einige davon zu lüften, soll Samstagmorgen (3.45 Uhr MESZ) die Sonde BepiColombo vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana zum Merkur starten.
Mit auf die fast neun Milliarden Kilometer weite Reise der Raumsonde geht ein speziell für diese Mission entwickelter Thermosensor aus dem Leibniz-Institut für Photonische Technologien in Jena. Er wird berührungslos die Temperatur auf dem kleinsten und bislang am wenigsten erforschten Planeten im inneren Sonnensystem und dessen mineralogische Zusammensetzung erkunden.
Sieben Jahre lang wird das europäisch-japanische Gemeinschaftsvorhaben BepiColombo unterwegs sein, bis das unbemannte Raumfahrzeug Ende 2025 den Merkur erreichen soll. Erst im April 2026 kann voraussichtlich die Forschung beginnen.
„Der Merkur kann uns vermutlich ein paar Dinge erzählen, auch über unser Sonnensystem, die wir noch nicht wissen“, sagte Johann-Dietrich Wörner, Chef der Europäischen Weltraumorganisation Esa. Bei der Erkundung der Venus sei keiner darauf gefasst gewesen, dort einen Klimawandel, einen extremen Treibhauseffekt, zu entdecken. Das Vorhaben jetzt stellt nach Esa-Auskunft die anspruchsvollste interplanetare Mission in ihrer Geschichte dar.
„Die erste Stunde nach dem Start ist am riskantesten“, sagt der Flugdirektor für BepiColombo und Leiter der Esa-Abteilung für interplanetare Missionen, Andrea Accomazzo. Die Sonnenpanele müssen nach dem Start rasch ausgefahren werden. Auch in den folgenden 47 Stunden müsse das Raumflugkontrollzentrum in Darmstadt sehr schnell reagieren, wenn etwas schief läuft. Die erste größere Hürde ist nach drei Tagen geschafft. Etwa 80 Fachleute in Darmstadt sind in dieser Zeit rund um die Uhr mit dem Gelingen der Mission befasst.
Die 6,40 Meter hohe und 4,1 Tonnen schwere Raumsonde BepiColombo startet an Bord einer Ariane-5-Trägerrakete. Mit zwei wissenschaftlichen Orbitern an Bord und in einer Geschwindigkeit von bis zu 60 Kilometern pro Sekunde nähert sich die Mission dem sonnennächsten Planeten. Auf komplizierten Flugbahnen: Wegen der enormen Anziehungskraft der Sonne wird die Raumsonde den Merkur zunächst sechsmal umkreisen, bevor sie in dessen Umlaufbahn einschwenkt. Dann beginnt für die Instrumente und Kameras an Bord ein Einsatz unter Extrembedingungen: Herrscht tagsüber eine Hitze von bis zu 430 Grad Celsius, fallen die Temperaturen auf dem Merkur nachts auf bis zu minus 180 Grad Celsius. Gewappnet gegen den Sonnenwind und die hohe Sonneneinstrahlung, wird der Jenaer Sensor – als Teil des thermalen Infrarot-Spektrometers Mertis (Mercury Radiometer and Thermal Infrared Spectrometer) – diese Schwankungen erkunden. Mertis entwickelten Wissenschaftler unter der Leitung der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und des Berliner Instituts für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Auf dem Gebiet der Weltraumforschung arbeitet das Jenaer Institut mit dem DLR bereits seit der 2004 gestarteten europäischen Rosetta-Mission zusammen, die im November 2014 auf dem Kometen 67P/ Tschurjumow-Gerassimenko landete. Die Jenaer Wissenschaftler sind mit Sensoren zudem an Mars-Missionen beteiligt, sowie an der europäischamerikanischen Asteroiden-Abwehrmission Aida. ( dpa/red)