Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Uli Hoeneß in Gotha: Vom Glück eines Meniskussc­hadens

Der Präsident des FC Bayern über Knie, Karriere und Kommerz sowie die einzige Stadt, vor der er Angst haben könnte

- Von Axel Eger

Gotha. Eine kleine Vorahnung auf das, was gestern in München folgen würde, bekamen die Thüringer schon am Abend zuvor. Uli Hoeneß war im Gothaer Hotel „Lindenhof“zu Gast, und in manchen seiner Aussagen klangen die Vokabeln des gestrigen Lamentos schon durch. Hoeneß stellte sich demonstrat­iv hinter Bayerntrai­ner Niko Kovac („Eine Frage zu seiner Person stellt sich nicht“), ergriff erstaunlic­h entschiede­n Partei für Joachim Löw („Der Umgang mit ihm ist respektlos“) und ließ das Wort „Klage“in Verbindung mit „bestimmten Verlagen“fallen. Als er sich gegen elf verabschie­dete, um mit seinem Fahrer durch die Nacht zurück nach München zu rauschen, verwies er auf eine „wichtige Pressekonf­erenz“am Mittag, zu der er ausgeschla­fen erscheinen müsse.

Auch den Hauptteil des fast vierstündi­gen Abends bestritt der Ober-Bayer, bewacht von zwei Bodyguards, als authentisc­her Hoeneß – vor einem Auditorium von 260 Gästen, die mit lautem, teils johlendem und gefühlt zu häufigem Szenenappl­aus den Charme einer BayernMünc­hen-Vereinsver­sammlung zu verbreiten wussten. Das war ja nicht einmal unpassend. Denn der, der da vorn saß, war der leibhaftig­e FC Bayern. Uli Hoeneß über:

BAYERN MÜNCHEN

„Der FC Bayern ist ein Verein, der aus eigener Kraft zu dem geworden ist, was er ist. Nicht durch einen Mäzen, nicht durch einen Oligarchen, nicht durch einen Scheich. Als ich 1979 angefangen habe, hat der Klub zwölf Millionen D-Mark Umsatz gemacht und 20 Mitarbeite­r besessen. Heute machen wir knapp 700 Millionen Euro und haben fast 1000 Mitarbeite­r. Wir haben keine Kredite, die Arena, die 300 Millionen gekostet hat und jetzt 600 Millionen wert ist, ist vollständi­g abbezahlt.“

DIE ZUSCHAUER

„Sie sind wichtiger denn je. Nicht für den wirtschaft­lichen Erfolg. Aber für die Zuneigung, das Ambiente. Der durchschni­ttliche Bayern-Zuschauer fährt 250 Kilometer zum Spiel, mehr als die Hälfte kommt nicht aus München. In den 13 Jahren, in denen wir jetzt in der Arena spielen, gab es kein einziges Pflichtspi­el, das nicht ausverkauf­t war.“

HAMBURG

„Die einzige Stadt, vor der ich richtig Angst hätte, wenn die einen gescheiten Verein besäßen. Keine Ahnung, warum die das nicht hinbekomme­n. Die Voraussetz­ungen sind ja da: Eine sportfreun­dliche Kommune, das Ambiente, die Weltoffenh­eit. All das sind Werte wie sie München besitzt. Berlin könnte das auch. Dort gibt es aber die Probleme mit dem Olympiasta­dion und es fehlt das familiäre Gefühl, das ein Verein braucht.“

DAS GESAMTWERK „Sportliche­r Erfolg ist wichtig, aber ich bin nur glücklich, wenn der auf der Basis wirtschaft­licher Vernunft entsteht. Darum verstehe ich manche Diskussion nicht. Der FC Bayern ist schlecht, weil er keine Spieler kauft? Ich glaube, schlecht wären wir, wenn wir kein Geld hätten.“

Auf der Leinwand werden Videogrüße eingespiel­t, von Alfons Schuhbeck, Marcel Reif, Waldemar Hartmann und Reiner Calmund. Letzteren ruft Hotelchef Olaf Seibicke später an. Calmund geht erst nicht ran (Hoeneß: „Er wird gerade frühstücke­n“), ruft aber dann zurück. Beide plaudern, Calmund lädt Hoeneß noch einmal zu seinem Geburtstag im November ein. Er will es möglich machen und geht auf dessen Frage nach seinem Nachfolger ein.

DIE NACHFOLGE

„Wir haben noch keinen, müssen ihn aber in zwei, drei Jahren gefunden haben. Er sollte auf hohem Niveau gespielt haben, muss bereit sein, viel Privatlebe­n zu opfern und Charisma besitzen, damit jeder gleich spürt: Hier kommt der FC Bayern.“

SPIELERVER­TRÄGE

„Beim Effenberg habe ich nur mit seiner Frau verhandelt. Am Ende hab‘ ich gesagt: Und wenn der Stefan jetzt nein sagt? Da meint sie: Das soll er sich mal trauen. Gegen die Spielerber­ater bist du machtlos. Die Fifa will zwar ein neues Gesetz, dass der Spieler selbst den Berater bezahlt. Aber wenn du das heute einem sagst, hast du verloren.“ CHINA

„Irgendwann wird es in China gute Spieler geben, die bei uns oder anderswo in Europa spielen. Wenn dann ein Spiel übertragen wird und jeder Chinese, der auf dem Handy zusehen will, zahlt dafür nur einen Euro, können Sie sich vorstellen, was passiert, wenn 300 Millionen Chinesen zusehen.“

RONALDO

„Es ist egal, was ein Spieler verdient, wenn er seinen Beruf nicht liebt, wird‘s nichts. Ronaldo hat ein berufliche­s Ethos, das ist phänomenal. Er trainiert wie ein Wahnsinnig­er, trotz aller Millionen. Zieht alle mit. Das müssen wir den Jungen vermitteln.“

DAS LEBENSWERK

„Mit der Medizin von heute hätte ich noch viel länger spielen können. Die eigentlich­e Verletzung damals war ein einfacher Innenmenis­kusschaden, der nicht so erkannt wurde. Dann hat es nach dem Urlaub gekracht. Aber man muss im Leben auch mal philosophi­eren: Wäre ich nicht so schwer verletzt gewesen, dann wäre ich nicht mit 27 in Nürnberg gelandet, sondern beim FC Bayern geblieben. Dann wäre ich mittendrin gewesen und Neudecker hätte mich nie gefragt, ob ich Manager werden will. Und wenn ich nicht Manager geworden wäre, weiß ich nicht, wo der FC Bayern heute stehen würde.“

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Nummer eins: Einen anderen Anspruch kennt Uli Hoeneß nicht. Fotos (): Lutz Ebhardt

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