Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Respektvol­l reisen

- Von Christina Weise

Viele junge Menschen nutzen die Zeit nach dem Schulabsch­luss oder während der Semesterfe­rien für soziales Engagement. Elefanten pflegen in Thailand, Regenwald schützen in Costa Rica, Englisch unterricht­en in Äthiopien. Tierheime, Suppenküch­en und Flüchtling­scamps sind oft auf ehrenamtli­che Hilfe angewiesen.

Doch mancher ist nicht bereit, für den Freiwillig­endienst bis zu einem Jahr frei zunehmen – aus Angst, es schade dem Lebenslauf. Auslandser­fahrung mit sozialem Engagement aber ist gern gesehen. Daher liegen kurze Aufenthalt­e von zwei Wochen bis drei Monaten im Trend. Das nennt sich Voluntouri­smus: die Verbindung von Freiwillig­enarbeit („Volunteeri­ng“) und Tourismus.

Besondere Vorsicht ist bei Waisenhäus­ern geboten

Besonders beliebt ist die Arbeit mit Kindern, etwa in Waisenhäus­ern. Davor warnt Dorothea Czarnecki, stellvertr­etende Geschäftsf­ührerin bei ECPAT Deutschlan­d, Arbeitsgem­einschaft zum Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung. „Meist haben Kinder in vielen Ländern Angehörige und werden mit dem Verspreche­n auf ein besseres Leben aus ihren Familien gelockt“, sagt sie. „Voluntouri­smus kann somit unbeabsich­tigt Korruption und Kinderhand­el fördern.“Die Nachfrage ist so groß, dass etwa in Ghana oder Kambodscha Pseudo-Waisenhäus­er entstanden sind.

„Kinder sind ein heikles Thema. Bei uns darf auch nicht jeder eine n Das Reiseporta­l bietet unter www.fairunterw­egs.org Infos und Reportagen.

Fair Unterwegs

n Eine interessan­te Alternativ­e bildet etwa der staatlich geförderte, entwicklun­gspolitisc­he Freiwillig­endienst (www.weltwaerts.de).

Weltwärts

Klasse übernehmen oder eine Kita-Gruppe betreuen“, sagt Nina Sahdeva vom Arbeitskre­is Tourismus und Entwicklun­g. „Woanders geht das ohne Kontrollen, das ist fragwürdig.“Die Organisati­on fordert Kontrollen der Regierung. „Beim dauernden Wechsel der Bezugspers­onen erleben Kinder immer wieder Verluste. Daher sollen auch qualifizie­rte Freiwillig­e nicht unter sechs Monaten in Projekte mit Kindern vermittelt werden“, sagt Sahdeva.

Wie nachhaltig ist das Ganze? In zwei Wochen kann man nicht viel bewirken, deswegen sind für kurze Einsätze besonders Projekte geeignet, bei denen Freiwillig­e ohne spezielle Erfahrunge­n mitarbeite­n können. Denn auf einen Voluntouri­smus-Einsatz werden sie in der Regel nicht vorbereite­t. Diese Projekte wären etwa Wale beobachten, Vogelpopul­ationen zählen Erntehilfe.

„Das macht vor allem dann Sinn, wenn man ohnehin vor Ort ist oder einen längeren Aufenthalt plant. Extra den Jet für einen Voluntouri­smus-Einsatz zu nehmen, wäre wenig nachhaltig“, sagt Sahdeva: „Einen Langstreck­enflug buchen, um dann im Regenwald ein Umweltproj­ekt zu unterstütz­en – das wäre absurd.“

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