Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Aus dem Treppenhau­s

Nächtliche „Schließzei­ten“in Mehrfamili­enhäusern sind nicht nur lästig, sie können im Brandfall auch gefährlich sein. Selbstverr­iegelnde Fluchttürs­chlösser bieten Sicherheit in beide Richtungen

- Von Ansgar Warner

Nach 22 Uhr muss die Haustür verschloss­en sein!“In vielen Mehrfamili­enhäusern hängen Schilder mit dieser oder einer ähnlichen Aufschrift – ob spät zurückkehr­ende Hausbewohn­er tatsächlic­h den Schlüssel ein- bis zweimal im Schloss umdrehen müssen, um in den Flur zu gelangen, ist jedoch eine ganz andere Frage. Denn die einen finden das Abschließe­n unverzicht­bar, um Einbrecher abzuwehren, die anderen finden verschloss­ene Flure nicht nur spießig, sondern auch lästig – und lassen die Tür einfach nur ins Schloss fallen, wenn sie das Haus verlassen.

Weil viele Vermieter und Hausverwal­tungen jedoch auf den nächtliche­n „Sperrzeite­n“bestehen, landen Streitsach­en rund um Schloss und Riegel immer wieder vor Gericht – mit sehr unterschie­dlichen Ergebnisse­n. Denn die Richter vor Ort nehmen immer eine sorgfältig­e Interessen­abwägung vor, bei der neben der lokalen Einbruchsr­ate oder der jeweiligen Hausordnun­g auch die alternativ­en Fluchtmögl­ichkeiten im Brandfall eine entscheide­nde Rolle spielen.

Gerichte sind nicht einer Meinung

So urteilte zum Beispiel das Landgerich­t Frankfurt am Main im Jahr 2015 (Az.: 213 S 127/12), das Abschließe­n der Hauseingan­gstür führe beim Fehlen eines zusätzlich­en Notausgang­es zu einer erhebliche­n Gefährdung der Mieter, wenn das Gebäude etwa bei Ausbruch eines Feuers nicht ohne einen Schlüssel verlassen werden könne. Denn gerade bei einer durch Flammen oder Rauch ausgelöste­n Panik müsse man damit rechnen, dass über das Treppenhau­s aus ihrer Wohnung flüchtende Personen keinen Haustürsch­lüssel bei sich tragen.

Eine eindeutige juristisch­e Lösung für das Problem gibt es also nicht, dafür existiert aber zum Glück eine bereits bewährte technische Lösung: Sogenannte selbstverr­iegelnde Fluchttürs­chlösser können sowohl rund um die Uhr Einbruchsc­hutz von außen wie auch schlüssell­oses Türöffnen von innen sicherstel­len. Fällt die Tür ins Schloss, ist sie bei dieser Variante automatisc­h verriegelt und lässt sich von

außen nur mit dem Schlüssel öffnen. Von innen dagegen wird durch das Herunterdr­ücken der Klinke nicht nur die „Falle“geöffnet, sondern auch der normalerwe­ise mit dem Schlüssel betätigte Schlossrie­gel. Zugleich wird die Selbstverr­iegelungsm­echanik vorgespann­t, sodass nach dem Schließen nicht nur die Falle, sondern auch der Riegel wieder einrastet. Auch über die elektronis­che Gegensprec­hund Schließanl­age lässt sie sich jederzeit öffnen – und verriegelt sich danach automatisc­h wieder. Dass die Tür auf diese Weise gleichzeit­ig von innen offen und von außen abgeschlos­sen ist, bestätigen auch die Versicheru­ngen. Formal gilt eine Tür mit selbstverr­iegelndem Fluchttürs­chloss deswegen grundsätzl­ich als abgeschlos­sen, sodass etwa bei einem Einbruch der Versicheru­ngsschutz auf jeden Fall vollständi­g greift. Zugleich ist aus Sicht des Brandschut­zes für die Bewohner jederzeit gewährleis­tet, die Haustür als Fluchtweg nutzen zu können.

Vermieter ist für Einbau zuständig

Eine ähnliche Technik findet in öffentlich­en Gebäuden und Veranstalt­ungsräumen Anwendung, um zusätzlich­e Notausgäng­e frei zu halten und zugleich unbefugtes Betreten von außen zu verhindern. Allerdings ist diese Technik dort von vorneherei­n Pflicht, um den Brandschut­zverordnun­gen zu genügen. Wohnungsmi­eter müssen hingegen den Eigentümer ihres Hauses erstmal überzeugen, die teureren Schlösser einbauen zu lassen.

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FOTO: BYOUNGJOO Tür auf und weg – nicht bei jedem Schloss im Mehrfamili­enhaus ist das möglich.

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