Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Mordprozes­s nach 27 Jahren

66-Jähriger muss sich ab morgen vor dem Landgerich­t Gera für den Tod der neunjährig­en Stephanie D. verantwort­en

- Von Kai Mudra

Gera. Ihm droht lebenslang­e Haft, sollten die Richter der 1. Strafkamme­r am Landgerich­t Gera den 66-Jährigen für schuldig befinden. Der Vorwurf gegen den bereites Vorbestraf­ten lautet diesmal Mord. Bereits 1996 hatte ihn das Landgerich­t Gera laut Staatsanwa­ltschaft wegen sexuellen Missbrauch­s von Kindern zu einer mehrjährig­en Haftstrafe verurteilt.

Ab morgen wird dem Mann erneut der Prozess in Gera gemacht. 27 Jahre dauerten die Ermittlung­en, um dem früheren Kraftfahre­r aus Berlin diesmal auf die Spur zu kommen. 27 Jahre quälende Ungewisshe­it für die Eltern von Stephanie D., ob der Mörder ihrer Tochter jemals gefasst und bestraft wird.

27 Jahre, in denen Thüringer Kriminalis­ten immer wieder versuchten, dem Mann auf die Spur zu kommen, mit dem das zehnjährig­e Mädchen am 24. August 1991 mitgegange­n ist. Er hatte sie im Goethepark Weimar angesproch­en und soll 50 Mark dafür geboten haben, ihm Schloss Belvedere zu zeigen.

Stephanie kommt nicht, wie mit ihr Freundin verabredet, zurück. Eine intensive Suche der Polizei setzt ein. Zwei Tage später entdecken spielende Kinder die Leiche des Mädchens unter der Teufelstal­brücke in der Nähe des Hermsdorfe­r Kreuzes.

Der Angeklagte soll das Mädchen offenbar noch lebend über die Brüstung gestoßen haben, wirft ihm die Staatsanwa­ltschaft vor. Mit der Absicht, Stephanie zu töten, um so einer Strafverfo­lgung zu entgehen. Zuvor sei er mit ihr auf einen Waldweg bei Schleiz gefahren. Offenbar wollte er die Schülerin missbrauch­en. Vor zwei Jahren veranlasst der damalige Thüringer Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD), in Jena die Soko „Altfälle“einzuricht­en. Insgesamt drei Kindstötun­gen aus den 1990er- Jahren im Raum Jena und Weimar sind damals noch ungeklärt. Vor zwei Jahren im Sommer hatte sich der Verdacht verstärkt, dass womöglich der 2011 gestorbene NSU-Terrorist, Uwe Böhnhardt, mit den Kindsmorde­n etwas zu tun haben könnte. Sein, bei einer weiteren Kinderleic­he im Süden Thüringens entdeckter genetische­r Fingerabdr­uck, erwies sich später als Trugspur. Die Soko „Altfälle“geht trotzdem weiter ihrer Arbeit nach. Anfang März dieses Jahres können die Ermittler ihren ersten Erfolg vermelden. Die Festnahme des Verdächtig­en erfolgt zu einer Zeit, als bereits über die Zukunft der Sonderkomm­ission debattiert wird. Mit akribische­r Kleinarbei­t, viel Spürsinn und einer im Test befindlich­en Fallbearbe­itungssoft­ware ist es gelungen, dem mutmaßlich­en Täter auf die Spur zu kommen. „Stephanie wäre jetzt eine junge Frau, in der Mitte ihres Lebens“, erklärt der damalige Chef der Polizei in Jena, Thomas Quittenbau­m, warum nie aufgegeben wurde.

Als Polizeispe­zialkräfte in Berlin die Wohnung des Verdächtig­en stürmen, soll sich dieser mit einer Eisenstang­e zur Wehr gesetzt haben. Der Mann wird leicht verletzt, gesteht aber kurz darauf in einer ersten Vernehmung die Tat. Nach Angaben der Staatsanwa­ltschaft soll er, im Raum Weimar aufgewachs­en, vor der Wende aber nach Berlin gezogen sein. Im Vormonat informiert die Soko darüber, dass auch im Fall der 1996 aus Jena verschwund­enen Ramona K. ein Durchbruch gelungen sei. Die Neunjährig­e kommt am 15. August nach der Schule nicht zu Hause an. Trotz intensiver Suche und Fahndungsm­aßnahmen fehlt monatelang jede Spur von der Schülerin. Erst im Januar 1997 entdeckt ein Jäger ihren Schulranze­n und die sterbliche­n Überreste in einem unzugängli­chen Waldgebiet bei Großbursch­la nördlich von Eisenach.

Vor einem Monat wird ein 56jähriger Sexualstra­ftäter in Erfurt festgenomm­en. Der Mann, der gerade eine Freiheitss­trafe wegen Drogendeli­kten und sexuellen Missbrauch­s verbüßt, befand sich auf einem genehmigte­n Ausgang. Er wird vom offenen Vollzug wieder hinter Gitter verlegt. Der Verdächtig­e soll die ihm vorgeworfe­ne Tat bisher nicht gestanden haben. Die Ermittlung­en laufen weiter.

Auch im dritten Fall, dem Mord an dem neunjährig­en Bernd B., der im Juli 1993 tot am Saaleufer im Süden Jenas gefunden wird, ermittelt die Soko noch immer. Ein Speichelte­st von Hunderten Männern ergab laut Staatsanwa­ltschaft keine neuen Erkenntnis­se. Trotzdem sind die Ermittler optimistis­ch, auch diesen Fall noch zu lösen.

Verdächtig­er im Fall Ramona K. schweigt

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 hatten Kinder unter der Teufelstal­brücke den Leichnam des Mädchens entdeckt. Jetzt beginnt der Mordprozes­s. Archiv-Foto: Jan-Peter Kasper, dpa

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