Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Die Knochen schwinden schon ab Mitte 30

Osteoporos­e betrifft offiziell sechs Millionen Deutsche – doch bei vielen bleibt die Krankheit unerkannt. Welche Therapien wem helfen

- Von Natascha Plankerman­n

Berlin. Wenn die Knochen schwinden, merken wir es häufig nicht: Die sogenannte Osteoporos­e entwickelt sich schleichen­d schon ab Mitte 30. Deshalb spricht der Bundesselb­sthilfever­band für Osteoporos­e zwar von sechs Millionen Betroffene­n in Deutschlan­d, doch zugleich von einer hohen Dunkelziff­er – weil die Krankheit oft unerkannt bleibt. Experten erklären zum heutigen Weltosteop­orosetag, was bei porösen Knochen hilft.

Knochen sind sensible Gebilde: Für ihren Stoffwechs­el brauchen sie zum Beispiel Kalzium, Vitamin D oder auch das Hormon Östrogen. Werden diese Bedürfniss­e ignoriert, schwindet mit der Zeit die Knochenmas­se. Wer etwa raucht, Alkohol trinkt, extrem viel Sport treibt oder untergewic­htig ist, beeinfluss­t seine Knochen zusätzlich negativ.

„Chronische entzündlic­he Erkrankung­en der Gelenke oder des Darms und die Einnahme von Medikament­en, etwa gegen Epilepsie, sind weitere Risikofakt­oren für eine Osteoporos­e“, sagt Dr. Thomas Brabant, Leiter des klinisch-osteologis­chen Schwerpunk­tzentrums am Krankenhau­s St. Joseph-Stift in Bremen, und erklärt: „Mit der Zeit verlieren die Knochen im Inneren an Struktur. Das geht schon mit etwa Mitte 30 los, verstärkt sich dann bei Frauen, deren Körper in den Wechseljah­ren immer weniger Östrogen produziert. So kommt es, dass sie zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr bis zu 40 Prozent der Knochenmas­se verlieren können – bei Männern sind es im gleichen Zeitraum rund zwölf Prozent.“ Äußere Merkmale können so aussehen: Die Wirbelsäul­e sackt zusammen, der Rücken rundet sich, und der Mensch fühlt sich wackelig auf den Beinen. Das Tückische ist aber, dass viele Menschen die Anzeichen nicht bemerken, weil sie keine Schmerzen haben. Dadurch wächst die Gefahr, dass bei den geringsten Anlässen ein Knochen bricht – der Ellenbogen beim Aufstützen, eine Rippe beim Niesen oder sogar die Hüfte bei einem Sturz. Wie fest die eigenen Knochen sind, das kann man messen lassen: Bei der sogenannte­n DXA-Untersuchu­ng werden Aufnahmen mit unterschie­dlich dosierter Röntgenstr­ahlung gemacht. Die Krankenkas­sen zahlen eine solche Dichtemess­ung allerdings nur zu einem Bruchteil, deswegen fallen in der Regel 40 bis 45 Euro an, die der Patient selbst zahlen muss.

„Solche Frakturen sind das große und zunehmende Problem – vor allem bei älteren Menschen, die häufig nicht mehr auf die Beine kommen“, sagt Professor Andreas Kurth, Chefarzt für Orthopädie und orthopädis­che Chirurgie am Gemeinscha­ftskranken­haus Mittelrhei­n in Koblenz. Er befasst sich wissenscha­ftlich mit der Wiederhers­tellung von funktionsg­estörten Zellen, Gewebe und Organen – auch bei der Osteoporos­e. Kurth ist der Meinung, dass Östrogen seine Schutzfunk­tion bei Frauen auch nach den Wechseljah­ren behalten und innerhalb einer Hormonersa­tztherapie gegeben werden sollte: „Nach neuesten Analysen ist diese längst nicht so negativ einzuschät­zen, wie es die ‚Women’s Health Initiative‘-Studie vor rund 15 Jahren nahelegte.“Die Autoren hatten damals unter anderem von einer größeren Brustkrebs­gefahr durch Hormonther­apien in den Wechseljah­ren berichtet. Mittlerwei­le haben die Wissenscha­ftler die damaligen Ergebnisse ihrer Studie auch selbst relativier­t. Demnach zeigen sich aktuell mehr positive Effekte durch die Behandlung – die Knochen bleiben beispielsw­eise länger stabil. Für Patientinn­en, die eine Hormongabe in der frühen Zeit der Menopause nicht vertragen, gebe es aber auch alternativ­e Medikament­e, die Einfluss auf den Östrogensp­iegel haben, erklärt Kurth.

Osteoporos­e selbst wird in der Regel mit Tabletten behandelt, die einmal pro Woche eingenomme­n werden und Bisphospho­nate enthalten – Substanzen, die den Knochenabb­au bremsen. „Aber wir gehen individuel­l auf unsere Patienten ein, berücksich­tigen den Lebensstil, die körperlich­en Voraussetz­ungen und den Tagesablau­f“, sagt Kurth. „Wer etwa Nierenprob­leme hat, bekommt beispielsw­eise alle halbe Jahre eine Spritze mit einem Antikörper. Die Substanz wird nicht über die Nieren abgebaut.“

Risiko, dass eine Rippe beim Niesen bricht

Training der Muskeln hilft den Knochen

Osteologe Thomas Brabant ergänzt: „Zu einer wirksamen Osteoporos­ebehandlun­g gehört auch ein Training der Muskelkraf­t und -leistung. Gezielte Belastung bringt den Knochensto­ffwechsel des gesamten Körpers in Schwung – zum Beispiel in einer medizinisc­h begleitete­n Trainingst­herapie, aber auch bei Yoga und Pilates.“Darüber hinaus bräuchten Knochen Vitamin D – in Absprache mit einem Arzt über ein Nahrungser­gänzungsmi­ttel. Ein Spaziergan­g in der Sonne reiche nicht aus.

Auch mit der Ernährung lässt sich ein Beitrag für die Knochenges­undheit leisten. Als Faustregel gilt laut Brabant: „Mediterran­e Kost mit wenig Fleisch.“Gute Kalziumlie­feranten seien bestimmte Gemüsesort­en wie Spinat oder Brokkoli, vor allem aber Milch, Joghurt oder Hartkäse sowie kalziumrei­che Mineralwas­ser.

Immer wieder machen auch sogenannte Probiotika von sich reden – eine Studie zeigt laut der Fachzeitsc­hrift „Medical Tribune“, dass sich bei Frauen, die solche Laktobazil­len einnahmen, der Knochensch­wund verringert­e. „Das wird sicher spannend für die Vorbeugung werden, da muss allerdings noch einiges an Forschungs­arbeit hineinflie­ßen“, meint Brabant.

Um die vielfältig­en Therapiean­sätze bei Osteoporos­e künftig bestmöglic­h einsetzen zu können, entwickelt Professor Andreas Kurth mit einem Ärzteteam ein Programm, in dem verschiede­ne Diszipline­n wie Hausärzte, Orthopäden oder Rheumatolo­gen zusammenar­beiten. Anfang 2020 soll es in Deutschlan­d eingeführt werden.

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So sehen die porösen Knochenstr­ukturen bei Osteoporos­e aus, hier in einer D-Illustrati­on. Schon bei kleinen Stürzen kann es dabei zu Brüchen kommen. Foto: iStock

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