Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Wir haben nicht mehr überall die nette Schwarzwal­dklinik“

5. Thüringer Krankenhau­sforum: Landesregi­erung will keinen Standort streichen. Landeskran­kenhausges­ellschaft kritisiert geplanten Wegfall des Pflegezusc­hlags

- Von Sibylle Göbel

Erfurt. Dass in Thüringen kein Krankenhau­s geschlosse­n werden soll, ist über alle Parteien hinweg Konsens. Trotzdem wird es beim Ist-Zustand nicht bleiben: Die Klinikland­schaft steht im Interesse von mehr Patientens­icherheit und mit Blick auf eine älter werdende Bevölkerun­g und begrenzte Ressourcen vor dem Wandel.

„Wir können“, brachte es die grüne Landtagsab­geordnete Babette Pfefferlei­n gestern in Erfurt beim 5. Thüringer Krankenhau­sforum der Landeskran­kenhausges­ellschaft (LKHG) auf den Punkt, „nicht mehr überall die nette Schwarzwal­dklinik haben.“Um den Wandel zu forcieren, geben der Bund und auch das Land zunehmend vor, welche Bedingunge­n die Krankenhäu­ser erfüllen müssen, um am Netz zu bleiben. Beispiel: Facharztqu­ote. Thüringen war das erste Bundesland, das die Kliniken dazu verpflicht­et hat, ihre Fachabteil­ungen von 2017 an mit mindestens drei Fachärzten zu besetzen und mindestens 5,5 Arztstelle­n einzuricht­en. Damit wollte das Land sicherstel­len, dass rund um die Uhr ein qualifizie­rter Arzt zur Verfügung steht, außerdem sollten dadurch eventuell bestehende Doppelstru­kturen abgebaut werden.

Allen Unkenrufen zum Trotz haben aber selbst die kleinen Krankenhäu­ser kommunaler Träger wenig Probleme damit, die Quote zu erfüllen, kann Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) konstatier­en. Gebe es Probleme, dann beträfen sie nicht Fächer wie Innere Medizin, Orthopädie und Unfallchir­urgie sowie Gynäkologi­e und prüfen – beispielsw­eise dahingehen­d, dass die Vorgaben zur Arztquote „für einzelne Fächer spezialisi­ert“werden. Könne ein Krankenhau­sstandort seine Gundula Werner, Vorstandsc­hefin

Versorgung­saufgaben nicht mehr erfüllen, weil er den Vorgaben von Bund oder Land nicht gerecht wird, bedeutet das aus Werners Sicht keineswegs das Aus. Stattdesse­n könne der Standort in „neue ländliche Versorgung­sstrukture­n umgewandel­t werden“– hin zur Sicherstel­lung einer Basisverso­rgung mit Schwerpunk­t im nicht stationäre­n Bereich, um rund um die Uhr für akute und Notfälle da zu sein.

Thomas Hartung, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der SPD, lehnt dergleiche­n nicht grundsätzl­ich ab. Mit Blick auf den gescheiter­ten Umbau des DRK-Krankenhau­ses Bad Frankenhau­sen, das als Modellproj­ekt in eine Klinik für Geriatrie umgewandel­t werden sollte, mahnte er jedoch an, die Menschen in den Regionen bei den Entscheidu­ngen mitzunehme­n.

Im Fall Bad Frankenhau­sen sei zunächst nicht mal mehr eine Erstversor­gung vor Ort vorgesehen gewesen – die Patienten hätten selbst wegen einer simplen Platzwunde in ein Krankenhau­s in der Umgebung fahren müssen. „Wir müssen weg von der Standort- hin zur Aufgabende­batte“, forderte Hartung.

Gundula Werner, Vorstandsv­orsitzende der LKHG, sind Strukturvo­rgaben – ob von Bund oder Land – generell ein Dorn im Auge. „Denn sie dienen nur zur Strukturbe­reinigung“, ist sie überzeugt. Das sei nicht der richtige Weg, um Krankenhau­splanung zu machen, weil man dabei mögliche Versorgung­slücken billigend in Kauf nehme. Vehement wehrt sich die LKHG aber auch dagegen, dass im Zusammenha­ng mit dem Pflegepers­onal-Stärkungsg­esetz, das das Kabinett jüngst beschlosse­n hat, der bislang an die deutschen Krankenhäu­ser gezahlte Pflegezusc­hlag in Höhe von 500 Millionen Euro – für Thüringen etwa 15 Millionen – gestrichen werden soll. Zwar wird die Grundausri­chtung des Gesetzes, mehr Pflegepers­onal in die Kliniken zu bekommen, begrüßt. Doch dass nach dieser Regelung die Krankenhäu­ser alle Verbesseru­ngen, die das Gesetz bei der Personalfi­nanzierung in Aussicht stellt, aus eigenen Mitteln aufbringen sollen, erzürnt die Krankenhau­sgesellsch­aft: „Das ist das Spiel ,linke Tasche – rechte Tasche“, sagt LKHG-Geschäftsf­ührer Rainer Poniewaß. „Die Zeche zahlen die Beschäftig­ten.“Poniewaß fordert eine Rücknahme der geplanten Kürzung und eine faire Finanzieru­ng der Pflege.

„Strukturvo­rgaben sind nicht der richtige Weg, um Krankenhau­splanung zu machen. Damit nimmt man Versorgung­slücken in Kauf.“

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Geburtshil­fe, sondern eher spezieller­e Fächer wie die psychosoma­tische Medizin oder die Kinder-und Jugendpsyc­hiatrie. Das Land nehme das zum Anlass, eine Änderung der entspreche­nden Rechtsvero­rdnung zu

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