Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Deutschlan­ds Außenminis­ter Heiko Maas: „Wir setzen kein neues Wettrüsten in Gang“

- Von Jochen Gaugele

Moskau. Donald Trumps Verzicht auf das Abkommen zeuge von wenig Verstand, sagte der sowjetisch­e Ex-Präsident Michail Gorbatscho­w am Sonntag. Er hatte den INF-Vertrag vor 31 Jahren gemeinsam mit Ronald Reagan unterzeich­net. „Washington­s Drang, die Abrüstungs­politik zurückzudr­ehen, darf niemand unterstütz­en, das muss jetzt nicht nur Russland klarmachen, sondern jeder, dem der Frieden teuer ist.“Moskau reagiert einerseits empört auf Donald Trumps Ankündigun­g, die USA wollten den INF-Vertrag kündigen. Anderersei­ts wirkt es nicht besonders überrascht.

Kremlsprec­her Dmitri Peskow erklärte, solcherlei Schritte Berlin. Für Außenminis­ter Heiko Maas (SPD) hat das Ringen um das atomare Abrüstungs­abkommen INF (Intermedia­te Range Nuclear Forces, zu Deutsch: nukleare Mittelstre­ckensystem­e) erst begonnen. Im Interview mit unserer Redaktion kündigt Maas eine diplomatis­che Initiative an, um das 1987 zwischen den USA und der damaligen Sowjetunio­n geschlosse­ne Abkommen zu retten.

Herr Minister, US-Präsident Donald Trump will das INFAbkomme­n kündigen. Steuert die Welt auf einen neuen Kalten Krieg zu? Das Ende des INF-Vertrags wäre ein schwerer Schlag für die europäisch­e Sicherheit­sarchitekt­ur. Wir dürfen aber nicht vergessen: Es gibt seit Jahren Vorwürfe, dass Russland seinerseit­s den Vertrag verletzt. Bis heute haben wir darauf keine überzeugen­de Antwort. Insofern ist die amerikanis­che Frustratio­n nicht unbegründe­t. Das darf aber nicht dazu führen, das Kind mit dem Bade auszuschüt­ten. Das wäre ein großer Fehler.

Was kann Deutschlan­d tun, um ein neues Wettrüsten zu verhindern?

Auch wenn es klingt, als sei die Entscheidu­ng der USA schon gefallen: Dieses Abkommen berührt lebenswich­tige Interessen Europas; solange es noch eine Chance gibt, das Abkommen zu erhalten, wollen wir mit allen diplomatis­chen Mitteln dafür kämpfen. Deshalb werde ich mit unseren europäisch­en Partnern nichts unversucht lassen, dazu mit Moskau und Washington doch noch einmal ins Gespräch zu kommen. Wir werden das Thema in der Nato ganz oben auf die Tagesordnu­ng setzen. Wir sind bereit, auf Russland einzuwirke­n, um die Einhaltung des INF zu forcieren. Wir sind nicht bereit, ein neues Wettrüsten in Gang zu setzen.

Den Vertrag zur Abschaffun­g atomwaffen­fähiger Mittelstre­ckenrakete­n haben einst die Präsidente­n Ronald Reagan und Michail Gorbatscho­w unterzeich­net. Was könnte einmal an die Stelle des INF-Abkommens treten? Der INF-Vertrag und der Abzug der Mittelstre­ckenrakete­n aus Deutschlan­d gehören für mich zu den größten Errungensc­haften der Abrüstungs­politik. Wir können nicht zulassen, dass wir dahinter zurückfall­en. Es geht aber auch nicht darum, die Stationier­ungsdebatt­en der 80er-Jahre wieder aufzuwärme­n. Die Realitäten sind heute andere. Die Nato-Ostgrenze verläuft nicht mehr durch Deutschlan­d, und wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Debatte bei unseren mittelund osteuropäi­schen Partnern unter ganz anderen Vorzeichen geführt wird. Deshalb brauchen wir heute eine neue europäisch­e Ostpolitik, um neue Spaltungen zu verhindern.

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Donald Trump, US-Präsident
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Heiko Maas (SPD), Außenminis­ter Foto: dpa

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