Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Reus nach Schulter-OP wieder im Training

Erfurter Rekord-Sprinter arbeitet an Rückkehr auf die Tartanbahn mit schnellen Zeiten. Langfristi­g hat er WM 2019 und Olympia 2020 im Blick

- Von Jane Sichting

Von Axel Lukacsek

Erfurt. Vor mehr als einem Jahr hat Nils Dunkel sein Zimmer im Internat in Berlin geräumt und in der Hauptstadt nahe der Trainingsh­alle eine eigene, kleine Wohnung bezogen. „Da hat man mehr Freiheiten. Das tut mir gut“, sagt der Turner des MTV  Erfurt, der deshalb nicht den Blick für das Wesentlich­e verloren hat. Bei den am Donnerstag beginnende­n Weltmeiste­rschaften in Doha (Katar) gehört der  Jahre alte Thüringer zum zweiten Mal dem deutschen WM-Kader an. „Dass ich nominiert werde, damit hatte ich gar nicht gerechnet“, sagt Dunkel, der in diesem Jahr mit starken Leistungen wie Platz vier am Barren und im Team bei der Europameis­terschaft und der deutschen Meistersch­aft am Pauschenpf­erd – der erste nationale Titel bei den Männern – auf sich aufmerksam machte und sich damit für eine WM-Teilnahme empfahl.

In Doha gehört Dunkel zum deutschen Aufgebot um Marcel Nguyen (Unterhachi­ng), der trotz einer angebroche­nen Rippe bereit ist für die WM. Bei den Titelkämpf­en muss sich der Erfurter aber vorerst in Geduld Erfurt. Wegen eines Sturzes im Vorlauf der 4x100 Meter-Staffel bei der EM in Berlin endete die Saison für Rekordspri­nter Julian Reus im August sehr schmerzhaf­t – und mit einer Schulterge­lenk-Sprengung. Es folgte eine Operation und langes Warten. „Ich habe eine Armschling­e getragen und musste vier Wochen absolute Ruhe halten“, sagt er.

Inzwischen kann Reus die Belastung allmählich wieder steigern und befindet sich in einer intensiven Reha-Phase. Wenn der Heilungspr­ozess weiterhin planmäßig verläuft, rechnet er damit, dass die Schulter in vier bis sechs Wochen wieder komplett belastbar ist. Langfristi­ge Auswirkung­en befürchtet der 30-Jährige hingegen üben. Für die Mehrkampf-Qualifikat­ion ist er als Ersatz vorgesehen, könnte aber noch zum Einsatz kommen, sollte die Mannschaft das Finale der besten acht Nationen erreichen. Komplettie­rt wird das MännerAufg­ebot durch Andreas Toba (Hannover), Nick Klessing (Halle/Saale), Lukas Dauser (Unterhachi­ng) und Philipp Herder (Berlin).

Dieses Jahr brachte für den in Berlin lebenden Erfurter einen weiteren Leistungss­chub, selbst wenn er in Doha ohne WM-Einsatz bleiben sollte. Er trainiert intensiver, zeigte Übungen mit höheren Schwierigk­eitsgraden. Für ihn ist der vierte Platz bei der EM auch ohne Medaille ein besonderer Moment gewesen. „Dieses Resultat kam überrasche­nd und ist mein bislang größter Erfolg“, sagt Dunkel, der im August in Glasgow um lediglich drei Zehntelpun­kte seine erste internatio­nale Medaille verfehlte. Dabei war er bei der Europameis­terschaft als Achter gerade so ins Finale eingezogen.

Dass er überhaupt bei der EM ins Rampenlich­t rücken durfte, gelang ihm dank zweier starker Übungen am Pauschenpf­erd, seinem Lieblingsg­erät, und am Barren zwei Wochen nicht. „Nach der EM wäre ich bis Anfang Oktober ohnehin in die Pause gegangen. Geändert hat sich nur, wie ich wieder mit dem Training angefangen habe. Zusammen mit meinem Trainer und Physiother­apeuten haben wir einen guten Weg gefunden“, berichtet der deutsche Rekordhalt­er über 100 Meter.

Aktuell trainiert er bis zu neun Einheiten in der Woche, inklusive Reha-Training und Physiother­apie. Ende November soll es dann gemeinsam mit seinen Sprintkoll­egen ins Trainingsl­ager des Deutschen Leichtathl­etik-Verbandes nach Südafrika gehen. „Dort will ich so weit sein, in hoher Qualität trainieren zu können“, sagt Reus. Bis er wieder zu 100 Prozent sprinten kann, rechnet der Erfurter allerdings zuvor beim Länderkamp­f in Baiersbron­n. „Eigentlich sollte ich in Glasgow die Lücke für das Team am Pferd schließen. Nie hätte ich zuvor an ein Finale am Barren gedacht“, sagt Dunkel, der sich bei der EM das Lob des Bundestrai­ners abholte: „Er hat die Ruhe bewahrt, einfach cool. Er nimmt Hinweise auch während der Übung an, ist sehr unkomplizi­ert“, sagt Andreas Hirsch.

Dunkel, der seit zwölf Jahren in Berlin trainiert, bestätigte seinen Aufschwung in diesem Jahr mit dem ersten nationalen Titel, den er vor drei Wochen vor  Zuschauern in der Arena Leipzig eroberte. „Die Leistungen in Glasgow waren wertvoller. Aber natürlich hat solch ein Meistertit­el auch einen Klang“, sagt der junge Erfurter. noch mit viel Arbeit und Zeit, die er seinem Körper auch geben will: „Die größte Herausford­erung besteht ohnehin darin, die letzten Prozentpun­kte herauszuho­len.“

Ob er bereits unter dem Hallendach wieder im Startblock stehen wird, lässt er offen. „Wir werden die Hallen-Saison zwar planmäßig angehen, aber erst auf dem Weg dahin entscheide­n, ob und wann ich Wettkämpfe laufe“, erklärt er. Statt sich unter Druck zu setzen und etwa über seinen deutschen Rekord über 60 Meter (6,52 Sekunden) 2016 nachzudenk­en, ist ihm die Heilung der Schulter sowie die Rückkehr auf einem hohen Niveau wichtig. Denn spätestens im Sommer möchte er an seine alten Leistungen anknüpfen.

Die sportliche­n Erfolge tun ihm vor allem deshalb gut, weil er in diesem Jahr auch abseits der Turnhalle neue Wege geht. Nach dem Abitur wechselte der -Jährige in die Bundeswehr-Sportförde­rgruppe, wo er nach der WM seine Grundausbi­ldung absolviert. Doha soll ein erster Meilenstei­n auf dem Weg zu Olympia  in Tokio sein. Davor warten im Oktober  die Heim-Weltmeiste­rschaften in Stuttgart als eine weitere wichtige Zwischenst­ation.

Nach den Sommerspie­len in zwei Jahren will Dunkel ein Studium beginnen, um die Zukunft nach seiner Karriere zu planen. Dass er einen harten Sport mit aller Konsequenz betreibt, erlebt er bei jedem Training, wenn er seine Gelenke mit einem Tape stabilisie­ren muss. In der Schulter ist eine Sehne angerissen, wobei eine Operation (noch) nicht nötig ist. Zuletzt hatte er oft Fußproblem­e. „Ich weiß, dass ich keinen Gesundheit­ssport betreibe“, sagt Dunkel, der wöchentlic­h  Stunden schuftet.

Nun also hofft er als WM-Ersatzmann auf seine Chance. Dass man auf den Erfurter zählen kann, hat er in diesem Jahr bereits bei der Europameis­terschaft ja bewiesen.

Bereits jetzt plant Reus mit einem Start bei den Weltmeiste­rschaften in Doha (Katar) als Saisonhöhe­punkt. Wenngleich diese vom 27. September bis 6. Oktober 2019 sehr spät gelegen sind. „Es wird eine extreme Herausford­erung, die Leistungsf­ähigkeit bis in den Herbst hinein aufrecht zu halten“, blickt er voraus. Umso wichtiger sei es, die Saison trainingsm­ethodisch richtig anzugehen. Denn schnelle Zeiten sind bereits Anfang August bei den deutschen Meistersch­aften in Berlin gefordert, wenn es um Medaillen und die WM-Qualifikat­ion geht.

Langfristi­g hat sich der junge Familienva­ter das Ziel gesetzt, bei den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio zu starten. „Das ist definitiv Bestandtei­l der Gesamtplan­ung “, blickt er voraus.

 ??  ?? Nils Dunkel hat in diesem Jahr als EM-Vierter und deutscher Meister überrascht. Foto: Sascha Fromm
Nils Dunkel hat in diesem Jahr als EM-Vierter und deutscher Meister überrascht. Foto: Sascha Fromm
 ??  ?? Julian Reus ist wieder zurück, nachdem er an der Schulter operiert wurde. Archiv-Foto: Sascha Fromm
Julian Reus ist wieder zurück, nachdem er an der Schulter operiert wurde. Archiv-Foto: Sascha Fromm

Newspapers in German

Newspapers from Germany