Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Gibt es Kindesmord?
Zieher Pestalozzi wandte sich gegen die Todesstrafe
gegen den Staat, wenn es sein Kind mordet?
Ich sehe nichts anders, als es unterhaltet den unter den Umständen unserer Zeit so auffallend unnatürlichen und gewaltsamen Zustand, in welchem es kein Kind gebähren darf, bis es verheurathet. Es thut in Beziehung auf den Staat nichts anders, als daß es sucht, kinderlos zu bleiben, weil der Staat will, daß es kinderlos sey, und ihm droht, weil es nicht kinderlos ist…
Der Jüngling, der seinen Naturtrieb befriedigt, und nicht Vater wird, ist Kindermörder wie das Mädchen, daß die Hand der Verzweiflung an den Hals seines Gebohrenen legt…
Der Staat darf seine Saiten gar nicht so hoch spannen, als der Sittenlehrer, und am wenigsten als der christliche Sittenlehrer – und die unbedingte Forderung des Staats, daß unverheurathete Mädchenseinetwegennicht schwanger werden sollen, ist ganz gewiss nicht gerecht – daß er aber eine Strafe und Buße darauf setzet … ist eine vorzügliche Quelle des Kindermords.
Ich meyne, der Staat müsste der Keuschheit der Nation nicht durch Büßung der Huren, und den Kindermord nicht durch die Enthauptung der Verzweifelten hüten, sonder werde diesem beyden am besten steuern wenn der allgemein im Volk die Forcht Gottes, und Treu und Glauben und häusliche Tugend befördern wird …“