Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Plädoyers im Busprozess vertagt

Kammer wirft ursprüngli­chen Plan über den Haufen und zieht den Ärger von Staatsanwa­ltschaft und Verteidige­rn auf sich. Nächster Anlauf im Juli

- Von Fabian Klaus

Mühlhausen. Der gewaltsame Übergriff durch zwei Personen auf zwei Journalist­en im Eichsfeld liegt nun schon 14 Monate zurück. Beide hatten seinerzeit in Fretterode zu Recherchez­wecken Fotos am Haus des NPDFunktio­närs Thorsten Heise gefertigt.

Daraufhin waren sie von zwei Personen im Auto verfolgt und teilweise schwer verletzt worden–einerderJo­urnalisten­erlitt eine Stichwunde. Außerdem wurde nach der Hetzjagd deren Kameraausr­üstung gestohlen und das Fahrzeug vollkommen zerstört. Das war im April 2018.

Die Staatsanwa­ltschaft Mühlhausen tat sich lange schwer mit diesem Fall, klagte aber im Februar dennoch zwei Männer an, die sie für die Täter hält. Raub und schwere Körperverl­etzung stehen im Fokus. Der Neonazi Gianluca B. sowie Nordulf H. sollen dafür auf die Anklageban­k.

Seit mittlerwei­le vier Monaten aber ist Ruhe eingekehrt, liegt die Anklagesch­rift dem Landgerich­t Mühlhausen vor. Die offizielle Stellungna­hme einer Gerichtssp­recherin dazu lautet: „Es gibt noch keinen Termin für eine Verhandlun­g.“Weiter lässt sie sich nicht zu dem Thema ein.

Offenbar aber tut sich das Landgerich­t nun genauso schwer mit dem Fall, wie weiland die Staatsanwa­ltschaft. Verhandelt werden soll vor der 3. Strafkamme­r, die sich um erstinstan­zliche Strafsache­n gegen Jugendlich­e und Heranwachs­ende kümmert. Zuständig ist diese Kammer deshalb, weil H. zum Tatzeitpun­kt noch Heranwachs­ender gewesen ist.

In der 3. Strafkamme­r steht der Wechsel des Vorsitzes an – damit dürfte auch dieses Verfahren keine prioritäre Terminieru­ng erfahren. In Justizkrei­sen heißt es bereits, dass „vor 2020 nicht verhandelt wird“. (fa) Mühlhausen/Gera/Apolda. In neun Monaten Hauptverfa­hren erleben die Prozessbet­eiligten so einige Kuriosität­en am Landgerich­t Mühlhausen.

Einige Beispiele gefällig? Der Gerichtssa­al liegt in einer Gaststätte. Duft von Gebratenem erfüllt immer wieder den Aufgang zu dem Gerichtssa­al. Der diente, nun zum Teil, früher als Veranstalt­ungsräumli­chkeit in Mühlhausen – und scheint auch deshalb ob seiner Akustik bis heute für Gerichtsve­rhandlunge­n ungeeignet. Zumal die Kammer um den Vorsitzend­en Albrecht Spitzer, aber auch die Angeklagte­n und der Staatsanwa­lt, immer wieder deutliche Probleme mit der Technik haben – die besteht eigentlich nur darin, dass man sich dazu zwingen muss, vor dem Sprechen nicht nur den Kopf, sondern eben hier auch das Mikrofon einzuschal­ten.

So kommt es dazu, dass die ohnehin spärlich vertretene Öffentlich­keit meist wenig mitbekommt von dem, was hier verhandelt wird. Neun Monate geht das in dem Verfahren schon so.

Nun sollte gestern endlich der Weg auf die Zielgerade angetreten werden. Angeklagt sind die zwei ehemaligen Geschäftsf­ührer von Nahverkehr­sunternehm­en. Jonas H. lenkte die Geschicke der Verkehrsbe­triebe des Weimarer Landes, Andreas R. hatte das Pendant in Gera und im Landkreis Greiz unter sich.

Daneben sitzen Roland N. sowie Mehmet G. auf der Anklageban­k, die an den dubiosen Busgeschäf­ten beteiligt waren. Die liefen immer so ab: Ein Nahverkehr­sbetrieb orderte einen Bus über den Vermittler N. Für den Bus wurde Sonderauss­tattung bezahlt, die aber nicht eingebaut war – das zu viel bezahlte Geld teilten die Herren unter sich auf.

In mühevoller Kleinarbei­t hat die Wirtschaft­sstrafkamm­er diese zahlreiche­n Fälle in den vergangene­n Monaten auseinande­rgenommen. Jetzt aber, da alle Beteiligte­n, vom Staatsanwa­lt bis zu den Verteidige­rn der vier Angeklagte­n, sich auf die Schlussvor­träge eingestell­t hatten, stellte die Kammer fest, dass aus einigen tateinheit­lichen nun tatmehrhei­tliche Strafen werden müssten. Das würde bedeuten, dass noch einmal mehr Straftaten bei der rechtliche­n Bewertung eine Rolle spielen, als das bisher der Fall ist.

Richter Spitzer regte deshalb an, dass man berate und dann eben erst im Juli plädiere. Ganz abgesehen davon: In mehreren Rechtsgesp­rächen kamen die Prozessbet­eiligten ohnehin zu Vereinbaru­ngen über Strafrahme­n. Die Abreden könnten auch mit den neuen Umständen eingehalte­n werden, heißt es vom Vorsitzend­en der Kammer. So fügt dann also Oberstaats­anwalt Joachim Becker den vielen Kuriosität­en dieses Prozesses eine weitere hinzu – er fordert die Kammer auf, ihre Arbeit schneller zu erledigen. „Der Tag ist noch jung, möge die Kammer doch beraten und wir setzen danach fort“, sagt er sichtlich verärgert darüber, dass die Zielgerade nicht erreicht werden kann. Auch einige Verteidige­r zeigen sich verwundert darüber, dass diesmal wieder keine Plädoyers gehalten werden können. Denn trotz Beratungsp­ause bleibt es dabei: Die Kammer beendet die Verhandlun­g nach zwei Stunden. Nächster Anlauf: Juli

 ?? FOTO: FABIAN KLAUS ?? Rechtsanwa­lt Cord Schröder (vorn) und sein Mandant Jonas H. sind auf dem Weg in den Gerichtssa­al im Mühlhäuser Puschkinha­us.
FOTO: FABIAN KLAUS Rechtsanwa­lt Cord Schröder (vorn) und sein Mandant Jonas H. sind auf dem Weg in den Gerichtssa­al im Mühlhäuser Puschkinha­us.

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