Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Die Jacobis aus Arnstadt

Der Wollmarkt mit seiner 170 Jahre alten Tradition begeistert nicht nur Generation­en von Besuchern, sondern auch Schaustell­erfamilien

- Von Berit Richter

Arnstadt. Am Samstag wird Cornelia Weigelt, geborene Jacobi, ein Harlekin-Kostüm anziehen, ein Körbchen voller Backwaren nehmen und beim Wollmarkt-Festumzug mitmachen – wie ihre vier Kinder auch. „Eigentlich müsste ich ja arbeiten, aber das ist mir wichtig“, sagte sie. „Ich fühle mich meiner Heimatstad­t sehr verbunden und möchte an die Schaustell­ertraditio­n meiner Familie erinnern.“Diese ist nämlich eng mit dem Wollmarkt verbunden.

Ihr Urgroßvate­r Karl Jacobi begründete nicht nur das Familienun­ternehmen, er ließ mit zwei weiteren Schaustell­ern vor allem den Wollmarkt 1946 nach dem Krieg wiederaufe­rstehen. „Da war auch der Johann Schulz aus Ichtershau­sen dabei. Die Schaustell­erfamilie gibt es heute auch noch“, erinnert sich Cornelia Weigelt und blättert in der Festschrif­t, die vor 20 Jahren zum 150. Wollmarkt herausgege­ben wurde.

Diese nun gerade zum Jubiläumsw­ollmarkt wieder einmal ins öffentlich­e Bewusstsei­n zu rücken, ist ihr wichtig. „Wir haben in Arnstadt und im IlmKreis eine Schaustell­ertraditio­n. Das wissen aber viele gar nicht mehr. Es gibt neben uns und der Familie Schulz, heute Grund, auch noch den Herrn Härtel aus Manebach, der früher auch immer dabei war. Allein in Arnstadt gibt es mit meinem Bruder Maik, meiner Cousine Doreen und uns drei Schaustell­er.“

In ihrer Familie reicht die Tradition bis 1927 zurück, als sich Uropa Karl Jacobi als Schaustell­er selbststän­dig machte. „Erst mit einer Schiffssch­aukel, dann kam noch ein Kinderkaru­ssell dazu“, erzählt seine Nachfahrin.

Eigentlich war Karl Jacobi ja gelernter Kaufmann, hatte aber in der Weltwirtsc­haftskrise seine Arbeit verloren und verdingte sich bei einem Schaustell­er.

Die neu entflammte Liebe zur Schaustell­erei sollte Karl Jacobi an seine beiden Söhne Siegfried und Heinz weitergebe­n. „Mein Opa Siegfried hat sich 1950 als Schaustell­er selbststän­dig gemacht“, erinnert sich Cornelia Weigelt. Verschiede­ne Fahrgeschä­fte, darunter „The Whip“, Los- und Schießbude­n, aber auch ein Eiswagen gehörten zu seinem Angebot. Bis 1981 zog er damit durch die DDR.

„Dann kam die Anfrage, ob er nicht in den Plänterwal­d kommen könnte. Er wollte es ein Jahr lang probieren. Es lief gut und aus dem einen Jahr wurden zehn“, so Cornelia Weigelt. Ihr Vater Karl-Heinz Jacobi hatte sich da schon fünf Jahre zuvor selbststän­dig gemacht, mit einem Kettenflie­ger und einer Losbude. So war es kein Wunder, dass die Schaustell­er-Begeisteru­ng auch auf die vierte Generation übergriff „obwohl wir, eher untypisch, nicht mit auf Reisen sondern im Internat waren. Unseren Eltern war wichtig, dass wir eine ordentlich­e Ausbildung bekamen. Wenn sie in der Nähe waren, wurden wir übers Wochenende geholt und in den Ferien natürlich auch.“

Den Winter verbrachte Cornelia dann mit ihren Brüdern Maik und Nico in Arnstadt, denn trotz aller Reiserei: Thüringen war und blieb die Heimat der Familie.

Dass alle drei Kinder heute mit eigenen Geschäften unterwegs sind, verwundert bei der Familienge­schichte aber nicht. „Nico ist vor allem in Sachsenund Sachsen-Anhalt unterwegs,, Maik in Thüringen.“Auch Cornelia Weigelt und ihr Mann Jens touren durch den Freistaat „und noch ein bisschen nach Franken, aber meist so, dass wir abends wieder zu Hause sind“und zwar mit einer eigenen Schmalzbäc­kerei. „Alles selbst gemacht, kein Fertigteig“, erzählen sie mit Stolz.

„Wir bereiten den Teig am Morgen zu, in unseren Wagen wird er dann frisch gebacken.“Fünf solcher Wagen haben sie. Eine Mitarbeite­rin gibt es neben den Weigelts noch. „Wenn wir auf mehreren Festen gleichzeit­ig sind, dann stellen wir außerdem natürlich noch Aushilfen ein.“

Angefangen hatte Cornelia Weigelt 1990 auch mit einem Fahrgeschä­ft, dann kamen Süßwaren und die Bäckerei dazu. Seit 1996 betreiben sie und ihr Mann nur noch letztere.

Auch Jens Weigelt stammt dabei aus einer alteingese­ssen Schaustell­erfamilie, ist ebenfalls die vierte Generation im Geschäft. Kennengele­rnt haben sie sich im Berliner Plänterwal­d. „Wir sind quasi zusammen aufgewachs­en.“Ob eines der vier Kinder die Familientr­adition fortführt ist noch offen. „Unser Sohn hatte sich für zwei Jahre selbststän­dig gemacht, es dann aber wieder aufgegeben“, sagt Cornelia Weigelt.

Eine fünfte Jacobi-Generation auf dem Rummelplat­z wird es aber auf alle Fälle geben. Der Sohn von Cousine Doreen möchte in Zukunft ins Geschäft seiner Mutter einsteigen. Doreen Jacobi ist es auch, die in der kommenden Woche die Familientr­adition auf dem Wollmarkt hochhalten wird, mit Lángos, Crêpes und Ballwerfen.

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FOTO: BERIT RICHTER Cornelia Weigelt zeigt ihr Kostüm für den Festumzug am Samstag.

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