Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Erste Festnahmen unter neuem Sicherheitsgesetz
Peking besiegelt das Ende der relativen politischen Freiheit Hongkongs. Noch regt sich Widerstand
Peking/Hongkong. Während Hongkongs Staatsführung am Mittwochmorgen mit Champagnergläsern auf das neue nationale Sicherheitsgesetz anstieß, zogen ab den späten Nachmittagsstunden Tausende Hongkonger trotz Demonstrationsverbot auf die Straße. Es dauerte nur wenige Minuten, bis bereits der erste Bürger der Sonderverwaltungszone wegen des neuen Gesetzes verhaftet wurde: Ein junger Mann hatte eine Flagge vor sich ausgebreitet, die eine Unabhängigkeit Hongkongs forderte. Wenig später setzten die Einsatzkräfte erneut Wasserwerfer und Pfeffergas gegen die Aktivisten und Journalisten ein. Es gab Dutzende Festnahmen.
Seit dem 1. Juli gelten für Hongkongs Zivilgesellschaft gänzlich andere Spielregeln: Das von der Zentralregierung in China installierte Sicherheitsgesetz, das das pro-demokratische Lager als „Stasi Law“bezeichnet, ist die von Kritikern befürchtete Hiobsbotschaft für die weitreichende Autonomie der einst britischen Kronkolonie geworden.
Die 66 Paragrafen stellen künftig vier Vorgehen unter Strafe: Maßnahmen, die sich für eine Unabhängigkeit Hongkongs aussprechen, sowie Aktivitäten, die die Lokal- oder Zentralregierung in Peking untergraben. Zudem werden schwere
Gewalttaten gegen Personen und Sachbeschädigungen der Infrastruktur als Terrorismus gewertet. Dabei reicht es auch, einer Organisation anzugehören, die entsprechende Aktionen durchführt. Ebenfalls wird Konspiration mit dem Ausland unter Strafe gestellt, darunter fallen auch Aufrufe an Regierungen, Sanktionen gegen China zu erheben. Mögliche Höchststrafe: lebenslänglich.
Vor allem zwei Aspekte erschrecken die Protestbewegung: Mit einer Behörde zur „Sicherung der nationalen Sicherheit“erhöht Peking seine Präsenz in der Finanzmetropole. Die Mitglieder der neuen Institution können – trotz bestehender Exekutive in Hongkong – immer dann eingreifen, wenn die chinesische Regierung es für notwendig erachtet. Wenn sie Straftäter festnehmen, können sie diese an Gerichte im chinesischen Festland ausliefern. Zudem kann das Sicherheitsgesetz auch auf Personen angewandt werden, die nicht in Hongkong leben – also praktisch für alle Bürger weltweit.
Trotz der Endzeitstimmung gingen bis Redaktionsschluss Tausende Hongkonger am Abend auf die Straße, wo sie ihre nun gesetzeswidrigen Slogans sagen: „Hongkongs Unabhängigkeit ist der einzige Weg!“Mehr als 100 wurden festgenommen.