Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Die Poesie des Kaffee-Satzes

In ihrem Gedichtban­d „Herzflug“entfaltet Regina Jarisch überrasche­nde Wortdeutun­gen

- Von Anke Engelmann Regina Jarisch: Herzflug. Gedichte. Mit Grafiken von Jost Heyder. Leipziger Literaturv­erlag, 126 Seiten, 19,95 Euro

Das sind mir die liebsten Gedichte: Leicht wie ein Schwarm Schmetterl­inge, brauchen sie Zeit, müssen sich setzen können. Und dann entfaltet sich ein Bild und lässt einen nicht mehr los: „an einem gewöhnlich­en morgen / fiel ein satz ins wasser / mit dem brühte ich meinen kaffee“. Sätze wie diese finden sich im Lyrikband „Herzflug“von Regina Jarisch, der im März dieses Jahres im Leipziger Literaturv­erlag erschienen ist.

Das Ausdeuten und das Spiel mit den Bedeutunge­n der Wörter sind typisch für die 1956 geborene Weimarer Lyrikerin, die mit „Herzflug“bereits ihren dritten Gedichtban­d vorlegt. Mit ihrer Verankerun­g im Alltäglich­en bleiben die Verse geerdet, auch wenn sie „luftschlös­ser aus buchstaben“bauen und „halt im wortreich“suchen.

Manches wird leicht, was sonst viel Gewicht hat. Zum Beispiel, wenn Regina Jarisch in „betreffpro­tokoll“Beliebigke­iten des täglichen

E-Mail-Verkehrs aneinander­reiht. Andere Gedichte sind hoch politisch, auch weil oder obwohl man ihnen den persönlich­en Blick anmerkt.

Berührend ihre poetische Haltung aus unvoreinge­nommener Neugier und liebevolle­r Beobachtun­gsgabe, aus lebensklug­em Humor, vielen Fragen, manchmal Trauer.

Dazu passen die Grafiken des Erfurter Künstlers Jost Heyder, die die 87 Gedichte auf eine Bildebene heben und eigene, oft unerwartet­e Akzente setzen.

Mit leichter Hand zieht Regina Ja- risch alles aus den Wörtern, ohne sie auszupress­en. Sie verknüpft sie zu Netzen, Assoziatio­nen schwe- ben, darunter liegt ein Rhythmus, der eindringli­ch und manchmal von einer irritieren­den Unwucht ist.

Um sie ganz zu erfassen, muss man die Verse mehrmals lesen, ih- nen nachspüren, nach-denken. So müssen Gedichte sein.

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