Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Die Poesie des Kaffee-Satzes
In ihrem Gedichtband „Herzflug“entfaltet Regina Jarisch überraschende Wortdeutungen
Das sind mir die liebsten Gedichte: Leicht wie ein Schwarm Schmetterlinge, brauchen sie Zeit, müssen sich setzen können. Und dann entfaltet sich ein Bild und lässt einen nicht mehr los: „an einem gewöhnlichen morgen / fiel ein satz ins wasser / mit dem brühte ich meinen kaffee“. Sätze wie diese finden sich im Lyrikband „Herzflug“von Regina Jarisch, der im März dieses Jahres im Leipziger Literaturverlag erschienen ist.
Das Ausdeuten und das Spiel mit den Bedeutungen der Wörter sind typisch für die 1956 geborene Weimarer Lyrikerin, die mit „Herzflug“bereits ihren dritten Gedichtband vorlegt. Mit ihrer Verankerung im Alltäglichen bleiben die Verse geerdet, auch wenn sie „luftschlösser aus buchstaben“bauen und „halt im wortreich“suchen.
Manches wird leicht, was sonst viel Gewicht hat. Zum Beispiel, wenn Regina Jarisch in „betreffprotokoll“Beliebigkeiten des täglichen
E-Mail-Verkehrs aneinanderreiht. Andere Gedichte sind hoch politisch, auch weil oder obwohl man ihnen den persönlichen Blick anmerkt.
Berührend ihre poetische Haltung aus unvoreingenommener Neugier und liebevoller Beobachtungsgabe, aus lebensklugem Humor, vielen Fragen, manchmal Trauer.
Dazu passen die Grafiken des Erfurter Künstlers Jost Heyder, die die 87 Gedichte auf eine Bildebene heben und eigene, oft unerwartete Akzente setzen.
Mit leichter Hand zieht Regina Ja- risch alles aus den Wörtern, ohne sie auszupressen. Sie verknüpft sie zu Netzen, Assoziationen schwe- ben, darunter liegt ein Rhythmus, der eindringlich und manchmal von einer irritierenden Unwucht ist.
Um sie ganz zu erfassen, muss man die Verse mehrmals lesen, ih- nen nachspüren, nach-denken. So müssen Gedichte sein.