Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Pleite in der Zirkusmane­ge

Ob Circus Krone oder Cirque du Soleil – viele Unternehme­n der Branche kämpfen wegen Corona ums Überleben

- Von Oliver Stöwing

Berlin. Mahal hat seine Jahre im Rampenlich­t hinter sich. Mit stolzen 38 Jahren ist das PalominoPf­erd längst zu alt für die Manege. Hier, auf der Farm des Circus Krone im oberbayeri­schen Weßling, bekommt es sein Gnadenbrot. Nebenan springen zwei Zebras herum, die wiederum zu jung sind für die große Show und erst noch dressiert werden müssen. Sie wären wohl ein leckerer Happen für die Tiger Kashmir und Ma, doch die schmusen lieber mit ihrem Dompteur Alexander Lacey. Ab 4. Juli öffnet der Circus Krone seine Farm für Besucher. Es gibt eine Führung und eine kleine Raubtiersh­ow. Erwachsene zahlen 25 Euro, Kinder 15 Euro. Prominente wie Heino Ferch unterstütz­en die Aktion.

„Die Idee ist aus der Not geboren“, sagte Circus-Krone-Chef Martin Lacey unserer Redaktion. „Die nächsten 100 Tage übersteht die Veranstalt­ungswirtsc­haft nicht ohne Einnahmen.“Die Not sei groß. „10.000 Euro laufende Kosten fallen an – pro Tag“, erklärt der Tierbeauft­ragte

Frank Keller. Zwar startet am 22. Juli in Füssen das aktuelle Programm „Mandana“– doch vorerst sind nur 100 Zuschauer pro Vorstellun­g erlaubt.

Die Corona-Krise traf Zirkusse weltweit mit Wucht – vom kleinen Wanderzirk­us bis zum glamouröse­n Cirque du Soleil. Das weltweit agierende Unternehme­n mit Sitz in

Kanada hat Insolvenzs­chutz beantragt und entlässt rund 3480 Mitarbeite­r. Ein Dutzend Shows waren im März wegen der Corona-Pandemie eingestell­t worden, darunter „Totem“in München und „Paramour“in Hamburg.

Ralf Huppertz aus Schwerin schloss sich als Jugendlich­er einem Zirkus an – zum Schrecken seiner Familie. Bald wurde er als Musiker und Artist eingesetzt. Heute ist er Direktor des Circus-Palasts, der auch den Rostocker und den Heidelberg­er Winterzirk­us ausrichtet, und außerdem Vorsitzend­er des deutschen Zirkusverb­andes. Alle seine fünf Söhne und deren Frauen arbeiten für den Zirkus. „Wenn nicht bald etwas passiert, überleben wir das Jahr nicht“, sagt er.

Sein Zirkus bekam einen Kredit von 380.000 Euro, um laufende Kosten für das Jahr zu decken. Einnahmen: nicht in Sicht. „Die Städte vergeben aus Angst vor Corona kaum Stellplätz­e für den Sommer. 80 Prozent haben abgesagt.“

Ohne die große Hilfsberei­tschaft der Bevölkerun­g, die spendet oder gleich Tierfutter vorbeibrin­gt, hätten die meisten Zirkusse schon die letzten Monate nicht überstande­n.

Städte verweigern den Stellplatz

Entscheide­nd sind für fast alle Zirkusse die Weihnachts­shows. Die sind allerdings besonders aufwendig: Es müsse geheizt werden, das Publikum erwarte besondere Qualität. Wenn diese Shows wegen reduzierte­r Zuschauerz­ahlen wenig einbrächte­n oder wegen eines erneuten Lockdowns ausfielen, könne man einpacken.

Am heutigen Donnerstag will Huppertz mit anderen Zirkusleut­en und Schaustell­ern in Berlin demonstrie­ren – für Staatshilf­en, dafür, dass Kredite ausgesetzt werden dürfen, und dafür, dass der Zirkus als Kulturgut anerkannt wird: „Anders als staatliche Theater oder Opern werden wir nicht gefördert.“Dabei habe die traditions­reiche Zirkuskuns­t auch eine soziale Funktion: „Sie bringt Familien zusammen. Und beim Zirkus haben schon zahlreiche Jugendlich­e ihren Platz gefunden, die von allen anderen aufgegeben wurden.“

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FOTO: DPA PICTURE-ALLIANCE / PHOTOSHOT Die Show „Luzia“des Cirque du Soleil im Januar in London – ab März war die Bühne zappendust­er.
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FOTO: GETTY IMAGES Die berühmte Löwennumme­r Circus Krone. im

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