Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Klärungsbedarf in den Ministerien
Bis 2021 sollen 200 Verwaltungsleistungen digitalisiert sein. Kemmerich sieht Scheitern mit Ansage
Scheitert die Landesregierung an ihrer selbst gesteckten Zielmarke, bis 2021 den Bürgerinnen und Bürgern im Land 200 Verwaltungsleistungen digital anzubieten? Thomas Kemmerich, FDP-Fraktionschef im Thüringer Landtag, hält das für möglich. Er begründet das mit Antworten, die er jetzt aus dem Finanzministerium auf eine Kleine Anfrage erhalten hat. Darin erkundigte sich der Liberale nach dem Umsetzungsstand des OnlineZugangsgesetzes (OZG).
Theoretisch kann die Digitalisierung von Verwaltungsleistungen in Thüringen noch ein Jahr länger dauern. Denn erst Ende 2022 sind
Bund und Länder gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Verwaltungsleistungen in digitaler Form anzubieten. Doch: „Der Umsetzungsstand ist katastrophal“, sagt Kemmerich mit Blick auf die aktuelle Lage. Er kritisiert, dass die Landesregierung es in den vergangenen drei Jahren nicht erreicht habe, eine Übersicht darüber zu erstellen, welche Leistungen zu digitalisieren seien.
Die Palette der denkbar digitalisierbaren Leistungen ist vielfältig. Einige werden in der Antwort des Finanzministeriums genannt. Das reicht vom Antrag auf Gebührenbefreiung für die Kindertagesstätte im Bildungsbereich über ein Verzeichnis für allgemein beeidigte Dolmetscher in der Justiz bis zur Festsetzung
von Grund- oder Kirchensteuern im Finanzbereich oder der Beantragung von Ausgleichsleistungen nach beruflichen Rehabilitationsmaßnahmen.
Das Thüringer Finanzministerium ist weniger skeptisch als der FDP-Politiker. Ein Sprecher des von Heike Taubert (SPD) geführten Hauses bestätigt auf Anfrage, dass derzeit in den einzelnen Ressorts eine „Leistungsklärung vorgenommen“werde. Die ist nicht abgeschlossen.
Dass das Ziel von 200 digitalisierten Verwaltungsleistungen eingehalten werden kann, sagt ein Sprecher, hänge „maßgeblich von der Arbeitsleistung der betroffenen Organisationseinheiten in den Ressorts
ab“. Heißt im Klartext: Wenn sich alle engagiert in die Umsetzung einbringen, dann steht dem Erreichen der Zielmarke nichts im Wege. Ob das derzeit der Fall ist, lässt das Finanzministerium offen.
Das könnte daran liegen, dass doch eine gewisse Unzufriedenheit besteht. Denn aus der Antwort des Finanzministeriums an Kemmerich geht hervor, dass mehrere Häuser die OZG-Umsetzung nicht mit Personal untersetzt haben. So werden im Wirtschaftsministerium, in der Staatskanzlei, im Infrastrukturministerium und auch im Bildungsministerium die anfallenden Aufgaben im laufenden Geschäft abgewickelt. „Das ist ein Scheitern mit Ansage“, sagt Kemmerich.
Das Finanzministerium widerspricht dieser Einschätzung deutlich und weist darauf hin, dass bereits jetzt 68 sogenannte OZG-Leistungen den Kommunen zur Nachnutzung zur Verfügung stehen. Mit Blick auf die kommunale Ebene sei insbesondere die Zusammenarbeit mit der Kreisverwaltung des Landkreises Eichsfeld positiv zu bewerten. Überdies würden die Aktivitäten zur Umsetzung zwischen Kommunen und Land weiter gebündelt und es erfolge eine bundesweite und arbeitsteilige Umsetzung zwischen Bund und Ländern.
„Insgesamt gehen wir daher davon aus, die Zielmarke zu erreichen“, teilt der Sprecher von Finanzministerin Taubert mit.