Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Bringt ein Kochsalz-Akku den Durchbruch?
Forscher suchen nach Alternativen zu jetzigen Batterien und sehen große Chancen bei einem billigen Rohstoff
Berlin. Ob im Smartphone, im Laptop oder zunehmend in Elektroautos, die fast lautlos über die Straßen rollen: Ein leistungsstarker Akku sorgt dafür, dass mobilen Geräten im Alltag unterwegs nicht die Energie ausgeht. Noch ist es in den allermeisten Fällen ein Lithium-Ionen-Akku, der im Innern verbaut ist. Die Technologie ist seit Jahren in der Industrie unbestritten das Maß der Dinge, was Energiedichte, Reichweite, Langlebigkeit und Preis angeht. Doch so gut LithiumIonen-Akkus sind, sie haben auch gewichtige Nachteile.
Die benötigten Rohstoffe könnten in einigen Jahren knapp und damit teurer werden. Bis zum Jahr 2030 wird die Batterieproduktion allein in Europa von heute jährlich 38 Gigawattstunden auf 576 Gigawattstunden um das Fünfzehnfache steigern, schätzt das FraunhoferInstitut für Produktionstechnologie (IPT). Weltweit dürfte der Bedarf an Akkus ähnlich zulegen, allen voran in der E-Auto-Industrie.
Außerdem wird im Pluspol (Kathode) von Lithium-Akkus das Metall Kobalt verbaut – in einem Speicher fürs E-Auto sogar 3000-mal mehr als in einem SmartphoneAkku. Mehr als die Hälfte der Kobalt-Vorkommen befinden sich im politisch instabilen Südostkongo – wo es unter teils unmenschlichen Arbeitsbedingungen und mithilfe von Kinderarbeit gewonnen wird, wie unter anderem Amnesty International kritisiert. Als einer der größten Hersteller rechnet BASF laut Medienberichten schon in weAkkus nigen Jahren mit Kobaltengpässen.
Aus diesen Gründen forschen Wissenschaftler nach einer Alternative zum Lithium-Ionen-Akku. Und tatsächlich zeichnet sich in diesem Jahr womöglich ein Durchbruch in der Akku-Technologie ab.
Der entscheidende neue Stoff ist dabei weniger exotisch als gedacht: Natrium, sprich: simples Kochsalz. Natrium-Ionen-Batterien sollen Lithium in bestimmten Akku-Typen ablösen – auf lange Sicht, wohlgemerkt. In diesem Jahr haben die auf Natrium basierenden Akkus endlich den Schritt vom theoretischen Konzept zur praxistauglichen Technologie geschafft, wie unter anderem das IT-Fachmagazin „Golem“berichtet.
Demnach zeigen unter anderem ein aktueller Prototyp aus Südkorea und ein weiterer eines US-amerikanisch-chinesischen Forschungsteams vielversprechende Ergebnisse im Praxisbetrieb. Rund 500 vollständige Ladezyklen sollen die neuartigen Akkus überstehen, bevor ihre Kapazität deutlich sinkt. Beim Gewicht könnte das Modell aus Korea
6,5 Kilogramm pro Kilowattstunde erreichen. Weniger als fünf Kilogramm gelten aber als möglich. Zum Vergleich: Aktuelle LithiumIonen-Akkus kommen auf knapp vier Kilogramm. Die Energiedichte entspricht aktuell der von LithiumIonen-Akkus aus dem Jahr 2000.
Forscher weltweit sehen durch Entwicklungsarbeit viel Potenzial, den Rückstand zu jetzigen Akkus zu verringern und arbeiten an unterschiedlichen Prototypen. Bis zur Marktreife dürften aber noch Jahre vergehen. Dafür kämen Natriumteils ohne Kobalt und Kupfer aus und verwenden stattdessen Mangan, Eisen und Nickel.
Natrium-Ionen-Akkus ließen sich dank der neuen Rohstoffe deutlich günstiger produzieren. Das Natrium-Salz für die Kathode lässt sich, anders als Lithiumsalze, in großen Mengen einfach gewinnen. Und für die Anode, den Minuspol, soll man laut Forschern statt Kobalt oder anderen teuren Rohstoffen günstige Materialien wie Braunkohle, Holz oder andere Biomasse verwenden können. Zudem ließen sich bestehende Fabriken laut den Experten dank ähnlicher Verfahren recht einfach von Lithium- auf NatriumIonen-Akkus umstellen.
Bis Natrium-Ionen-Akkus serienmäßig verbaut werden können, dauert es wohl noch Jahre. Bis dahin arbeiten Forscher wie Holger Althues daran, die überlegene LithiumIonen-Technologie zu verbessern. Der Chemiker ist renommierter Batterieforscher und leitet beim Fraunhofer-Institut für Werkstoffund Strahltechnik (IWS) in Dresden die Abteilung für chemische Oberflächen und Batterietechnik.
Lithium-Akkus weiter verbessern „Die meisten Experten sehen es so, dass die Lithium-Ionen-Batterie mindestens noch die nächsten fünf bis zehn Jahre weiter die großen Anwendungen dominieren wird“, sagt Althues. „Wenn man die Energiedichte weiter steigern will, dann bleibt man beim Lithium.“
Auch beim Bau von leichteren Akkus, die etwa für Flugdrohnen benötigt werden, komme man laut Althues nicht an Lithium vorbei.
Den steigenden Bedarf könne man durch besseres Recycling durchaus decken. Er und sein Team experimentieren mit zwei neuen Verfahren: sogenannte FestspeicherAkkus und solche mit LithiumSchwefel-Technologie. Letztere könnten die derzeitige Energiedichte verdoppeln, bei weniger Gewicht. „Wir sind an einem Punkt, wo wir schon sehr vielversprechende Ansätze sehen und auch den Nachweis in Prototyp-Zellen zeigen, aber es werden noch nicht alle Anforderungen der Automobilindustrie erfüllt.“
„Wenn man das EnergiewendeProblem lösen will, wird das mit dem Lithium eng.“
Doch Althues sieht auch Grenzen der Lithium-Technologie. „Wenn man das EnergiewendeProblem für die ganze Welt lösen will und wir überall Energiespeicher brauchen, die Solarstrom und Windenergie zwischenspeichern, dann wird das mit dem Lithium natürlich eng“, sagt der Experte. „Dafür kann Natrium durchaus eine Alternative darstellen.“Daher forscht auch sein Institut parallel an Natrium-Ionen-Akkus. Vorrangig geht es aber darum, mit besseren Lithium-Modellen die Zeit zu überbrücken, bis die Kochsalz-Batterien der Zukunft einsatzbereit sind.