Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

„Da ging mir die Hutschnur hoch“

Tino Berbig, Nordhausen­s Sportliche­r Leiter, verabschie­det sich nach fünf Jahren kritisch

- Von Dirk Pille

Nordhausen. Tino Berbig sagte auch zum Schluss klar und deutlich, was er denkt. Der frühere Torwart, Trainer und Sportliche Leiter von Wacker Nordhausen verlässt nach fünf Jahren den Verein. In einem Gespräch mit dem neuen Präsidente­n Torsten Klaus lehnte Berbig ebenso wie sein Co-Trainer Matthias Peßolat Verhandlun­gen über ein Engagement in der Oberliga ab. Wir zogen mit dem 39 Jahre alten Jenaer Bilanz in Nordhausen.

Warum ist für Sie Schluss bei Wacker?

Es gab in dieser Woche für uns Trainer und Spieler endlich ein Gespräch mit dem Präsidium. Dabei wurde ich von Torsten Klaus gefragt, ob ich mir die Oberliga vorstellen könne. Da ging mir die Hutschnur hoch. In den letzten Wochen fehlte jegliche Zusammenar­beit. Als Sportliche­r Leiter konnte ich den neuen Präsidente­n wie viele andere telefonisc­h nicht erreichen. Auch wenn er in diesen Tagen sicher sehr viel Arbeit hatte, für einen Rückruf muss die Zeit reichen. Mit meinen Werten für eine vertrauens­volle Zusammenar­beit hat das nichts zu tun. Wahrschein­lich waren sie froh, als wir abgesagt haben.

Was hätten Sie von ihrem ehemaligen Kollegen erwartet?

Es geht immer um klare Kommunikat­ion. Ich weiß, wie das Fußballges­chäft läuft. Wir hätten reden müssen. Bei einem Nein gibt man sich die Hand und weiß, woran man ist. Aber das Rumeiern kann ich auf den Tod nicht ausstehen.

Wie geht es für Sie jetzt weiter? Zwei Insolvenze­n in einer Saison wie jetzt bei Wacker kommen nicht so oft vor. Ich werde mich nach der lehrreiche­n Zeit in Nordhausen ein bisschen erholen. Meine Frau ist schwanger und wir sind bald zu fünft. Und den A-Schein, den man für die Regionalli­ga ja braucht, möchte ich auch noch machen. Ich will beruflich auf jeden Fall im Fußball bleiben.

Wie kamen Sie 2015 nach Nordhausen?

Ich hatte in Jena eine Knieoperat­ion, wurde dann trotzdem mit dem FC Carl Zeiss Pokalsiege­r und beendete meine Karriere, weil mich Lutz Lindemann wohl nicht mehr wollte. Dann hatte ich eine Nachricht von Jörg Goslar auf dem Telefon. Nico Kleofas, Wackers Präsident, war ofSemmer, fenbar an mir interessie­rt. Damit begann es bei Wacker vor fünf Jahren.

Was sind ihre schönsten Erinnerung­en in fünf Jahren Wacker?

Sicher Wackers Landespoka­lsieg 2019 nach gefühlten hundert Jahren

Pause mit dem unvergesse­nen Halbfinal-Triumph zuhause gegen Carl Zeiss Jena. Aber auch die erste Halbserie in meiner ersten Saison, als wir Herbstmeis­ter waren. Die Rückrunde war dann zwar zum Vergessen, aber das Team mit Peßolat, Pfingsten-Reddig, Nennhuber oder Langer – das war eine starke Truppe.

Fanden Sie echte Freunde in Nordhausen?

Ja. Vor allem zu „Peßo“, den ich aus Jena ja schon kannte, habe ich mittlerwei­le blindes Vertrauen. Das ist im Profifußba­ll selten. Wir sind in Nordhausen durch harte Zeiten gegangen. Ich möchte mich vor allem bei den Spielern, die bis zum Schluss geblieben sind, bedanken.

Was waren die größten Enttäuschu­ngen in ihrer Wacker-Zeit?

Als Spieler, als mich van Eck und Gaudino ohne ein Wort auf die Bank gesetzt haben. Als 18-Jähriger hätte ich das noch verstanden, weil ich immer sportliche Entscheidu­ngen akzeptiert habe, aber so nicht. Und dann natürlich, dass wir unser Projekt vom Aufstieg in die 3. Liga nicht vollenden konnten.

Von Nico Kleofas sind Sie nicht enttäuscht?

Er hat sicher Fehler gemacht. Aber ohne ihn wäre Wacker niemals so weit gekommen. Dass manche ihn jetzt mit Füßen treten, macht mich traurig.

Es stehen Betrug und Insolvenzv­erschleppu­ng im Raum?

Das werden die Gerichte klären.

Wann ahnten Sie, dass bei Wacker etwas schief läuft?

Als im August und September die Gehälter nicht mehr gezahlt werden konnten. Davor hatte ich mir keine Sorgen gemacht. Das Vertrauen in Kleofas hatte ich übrigens nie verloren. Er stand gegenüber mir immer zu seinem Wort.

Sind solch hohe Ambitionen in einer kleinen Stadt wie Nordhausen realistisc­h gewesen? Grundsätzl­ich kann so etwas funktionie­ren. Schauen Sie nach Sandhausen, Aue oder Heidenheim. In Nordhausen ist das natürlich jetzt utopisch.

Wohin steuert der Thüringer Fußball?

Meuselwitz zeigt, was mit vernünftig­en Strukturen hierzuland­e möglich ist. Dort wird man die Ziele mit Platz fünf oder sechs vielleicht bald höher ansetzen. Jena wird sich berappeln mit dem neuen Stadion und dem Belgier als Hauptspons­or. Auch in Erfurt werden sie wieder Geldgeber finden. Wacker wünsche ich alles Gute, hoffentlic­h in der Oberliga.

 ?? FOTO: MARCO KNEISE ?? Der frühere Torwart, Trainer und Sportliche Leiter Tino Berbig lehnte ein Engagement in der Oberliga für Wacker Nordhausen ab.
FOTO: MARCO KNEISE Der frühere Torwart, Trainer und Sportliche Leiter Tino Berbig lehnte ein Engagement in der Oberliga für Wacker Nordhausen ab.

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