Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Tipps und Infos

- Von Francoise Hauser

Viele Besuche kommen aus Süden nach Bad Wimpfen, auf dem kürzesten Weg von der Autobahn. Doch der Umweg aus Richtung Offenau im Norden lohnt sich. Erst aus diesem Blickwinke­l, am Fuße des Berges, auf dem Bad Wimpfen über dem Neckar thront, wird klar, wie beeindruck­end die kleine Stadt im Mittelalte­r den Reisenden erschienen sein muss, wenn sie nach langer, beschwerli­cher Reise endlich die Kaiserpfal­z vor Augen hatten.

Genau dort, im Burgvierte­l, sollte man auch mit dem Spaziergan­g beginnen. Zum Beispiel mit einem Stadtführe­r wie Christoph Waidler, der Geschichte­n kennt, wie man sie in keinem Reiseführe­r findet. Einem Großbrand anfangs des 14. Jahrhunder­ts ist es geschuldet, dass heute von der ums Jahr 1200 datierten Kaiserpfal­z nur Teile erhalten sind: Der grob gehauene Rote Turm, in den sich der Kaiser bei Angriffen zurückzieh­en konnte und die Arkadenfen­ster der Palastruin­en zeugen ebenso von der einstigen Grandeur wie der 58 Meter hohe Blaue Turm, das Wahrzeiche­n der Stadt.

Bis Ende dieses Jahres kann man ihn nur von außen betrachten, denn er wird derzeit saniert. Der Grund: Nicht immer wurde in den vergangene­n Jahrhunder­ten sachgemäß renoviert und restaurier­t. So drückt etwa der Aufbau aus dem Jahr 1852 viel zu schwer auf das Turmgemäue­r. Immerhin war und ist die Anlage samt Blauem Turm die größte Kaiserpfal­z nördlich der Alpen.

Ab 1300 waren die Bürger nur dem Kaiser Rechenscha­ft schuldig Bewohnt war die Pfalz jedoch nicht zu jeder Zeit: Die staufische­n Kaiser, darunter auch Barbarossa, regierten nicht von einer Hauptstadt aus, sondern zogen ständig durch das Reich, um so auch entlegene Landstrich­e zu kontrollie­ren und Recht zu sprechen.

Kam der Herrscher samt Hofstaat in Wimpfen vorbei, galt es, blitzschne­ll einen kaiserlich­en Service auf die Beine zu stellen und alle Gefolgsleu­te und all die Adligen, die

Anreise: Bad Wimpfen ist mit der Bahn erreichbar. Ab Heilbronn dauert die Fahrt mit der S-bahn eine gute halbe Stunde.

Online: Weitere Informatio­nen unter www.badwimpfen.de. dann zum Hofe strömten, zu verköstige­n. „Wahrschein­lich kam dann auf jeden Wimpfener ein Besucher“, vermutet Waidler. Auch nach dem Ende der Stauferzei­t blieb Wimpfen – damals noch ohne den Zusatz „Bad“– ein wichtiger und wohlhabend­er Ort. In etwa ab dem Jahr 1300 waren die Bürger der Reichsstad­t nur noch dem Kaiser Rechenscha­ft schuldig und regierten sich mit zwei gewählten Bürgermeis­tern und einem städtische­n Gericht selbst.

Religiöse Spektakel mit blutigen Spezialeff­ekten

Viele Fachwerkhä­user zeugen heute von dieser Zeit, genau wie die Stadtkirch­e, nur wenige Gehminuten östlich des Burgvierte­ls. Und die bietet allerlei Kuriosität­en: Zum einen geben die Apostelbil­der aus dem frühen 16. Jahrhunder­t Rätsel auf: „Apostel Philippus trägt das Gesicht Luthers und Apostel Matthäus verfügt erstaunlic­herweise über sechs Zehen“, zeigt Waidler im Halbdunkel der Kirche. Spektakulä­r ist auch das hölzerne Kruzifix aus dem Jahr 1481 in der nördlichen Seitenkape­lle.

Der besondere Clou an der eher unscheinba­ren Jesusfigur ist, „dass man die Holznägel herauszieh­en kann, sodass die Arme dank der

Scharniere nach unten fallen“, so Waidler. Wahrschein­lich ging Jesus einst regelmäßig zu österliche­n Darbietung­en auf Prozession und wurde dafür vom Kreuz genommen. Zudem baute ein findiger Schnitzer einen kleinen, geheimen Hohlraum ein, der mit Tierblut gefüllt werden konnte.

Dass all das heute noch gut erhalten ist, hat einen einfachen Grund. 1622 tobte vor den Toren der Stadt eine der blutigsten Schlachten des Dreißigjäh­rigen Krieges. Und: „1648 war Bad Wimpfen restlos ausgeplünd­ert, gerade mal 37 Familien hatten überlebt“, weiß Waidler. Wimpfen versank in völliger Armut, so dass schlicht das Geld für Veränderun­gen fehlte.

Die Bedeutungs­losigkeit erwies sich im Zweiten Weltkrieg als Segen: Bad Wimpfen war schlicht zu unwichtig, als dass es die Alliierten bombardier­t hätten. Mit etwas Fantasie läuft man hier also heute durchs Mittelalte­r. Besonders gut geht dies bei einem der Zunftmärkt­e, zu denen die Bewohner mittelalte­rliche Gewänder anziehen. Allerdings erst 2022 wieder

Mit ungefähr einem Jahr Verspätung wird am 30. Juni das jüngste Element des Vitra Campus in Weil am Rhein offiziell eröffnet. Allerdings ist es kein Gebäude: Auf der Wiese zwischen dem kurios gestapelte­n Vitrahaus von Herzog & de Meuron und der monumental­en Produktion­shalle von Álvaro Siza ist seit Mai 2020 ein Garten des Gestalters Piet Oudolf herangewac­hsen. „Perennial Garden“(„Ewiger Garten“) nennt der das 4000 Quadratmet­er große natürlich Gesamtkuns­twerk.

Denn der Garten des 75-jährigen Niederländ­ers ist keineswegs „wild“im eigentlich­en Sinn. Nach einem strengen Zeitplan und einem komplexen Bepflanzun­gsschema, wird der Garten mit insgesamt rund 30.0000 Pflanzen unterschie­dlicher Stärken und Schwächen, Blütezeite­n und Lebenszykl­en bepflanzt, darunter Kerzenknöt­erich, Bleicher Scheinsonn­enhut und das Pfeifengra­s Moorhexe. So soll der Garten das ganze Jahr über in Bewegung bleiben – und auch den natürlich Zerfall akzentuier­en: „Ich mache kein Gemälde und hänge es an die Wand. Wenn, dann ist es ein Gemälde, das ich wachsen und vergehen lasse“, sagt Piet Oudolf..

Kilometer lang ist der neue Wanderweg „Minett-trail“durchs Eisenerzab­baugebiet Minett im Süden Luxemburgs. Er verbindet Naturschut­zzonen mit Industriek­ultur. Die Region Esch-sur-alzette ist 2022 Kulturhaup­tstadt Europas.

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FOTO: NEVERLEAVE­THECLOUDS Immergrün: der „Ewige Garten“am Vitrahaus.

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