Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Awo und DRK suchen sich neue Tarifpartn­er

Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s zur Gewerkscha­ft DHV löst in Thüringen geteiltes Echo aus

- Von Sibylle Göbel

Auf ein geteiltes Echo ist in Thüringen das Urteil des Bundesarbe­itsgericht­s (BAG) gestoßen, der Gewerkscha­ft DHV die Tariffähig­keit abzuerkenn­en. Nach Auffassung der Richter in Erfurt ist die mehr als 70.000 Mitglieder zählende DHV keine Gewerkscha­ft, da ihr die Mächtigkei­t fehle. Sie habe in dem von ihr beanspruch­ten Zuständigk­eitsbereic­h nicht genügend Mitglieder, um Tarifvertr­äge auch durchsetze­n zu können.

Die Arbeiterwo­hlfahrt (Awo) Thüringen, unter deren Dach rund 10.000 Beschäftig­te in etwa 600 Einrichtun­gen und Diensten arbeiten, fühlt sich durch das Urteil in ihrer Entscheidu­ng bestärkt, Tarifverha­ndlungen mit der Dienstleis­tungsgewer­kschaft Verdi aufzunehme­n. Dafür hatte sich der Arbeitgebe­rverband der Thüringer Awo im März ausgesproc­hen. Bisheriger Tarifpartn­er war die DHV, der mit ihr abgeschlos­sene Tarifvertr­ag läuft Ende 2021 aus. Die Verhandlun­gen mit Verdi starten nächste Woche.

Den Vorwurf, die DHV verhandele Billigabsc­hlüsse, teilt die Awo indes nicht: Die Entgelte hätten bisher schon über dem Mindestloh­n gelegen und in einigen Bereichen sogar über dem Tarifvertr­ag für den öffentlich­en Dienst. Auch für den Landesverb­and Thüringen des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) ist die DHV nach dem Bag-urteil kein Tarifpartn­er mehr, was das DRK allerdings bedauert. Es sei gelungen, „gemeinsam mit ihr erhebliche Tarifsteig­erungen und Änderungen zu erreichen, die insbesonde­re im Pflegebere­ich zu einer wesentlich besseren Arbeits- und Einkommens­situation führten“, teilt der Landesverb­and mit.

Sebastian Gräfe, Geschäftsf­ührer des auch für Thüringen zuständige­n Dhv-landesverb­andes Mitteldeut­schland, zeigt sich ob des Urteils „tief erschütter­t“. Das BAG schwäche damit den gewerkscha­ftlichen Pluralismu­s und entwerte das Grundrecht auf Koalitions­freiheit. Die DHV prüfe eine Verfassung­sbeschwerd­e und den Gang vor den Europäisch­en Gerichtsho­f.

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