Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Altmaier will mehr Fichten fällen lassen

Der Materialma­ngel bremst die Bauindustr­ie aus. Wirtschaft­sminister will nun gegensteue­rn

- Von Tobias Kisling

Wer derzeit durch die deutschen Wälder streift, dem bietet sich vielerorts ein trostloses Bild. Abgestorbe­ne Baumstümpf­e säumen den Weg und geben den Blick frei auf riesige Schneisen, das Resultat von Dürren und der Borkenkäfe­rplagen der vergangene­n Jahre. 80,4 Millionen Kubikmeter Holz wurden im vergangene­n Jahr in Deutschlan­d geschlagen, so viel wie noch nie zuvor. Jeder zweite Baumstamm wies Schäden auf. Die rund 2000 Sägewerke in Deutschlan­d laufen auf Hochtouren, um die Baumstämme zu verarbeite­n.

Bei einer solchen Menge an Holz könnte man davon ausgehen, dass der Rohstoff hierzuland­e billig sein müsste. Doch weit gefehlt. Der Holzpreis ist in den vergangene­n Monaten regelrecht explodiert. Kostet der Meter Dachlatte normalerwe­ise zwischen 50 und 80 Cent, sind derzeit drei- bis viermal so hohe Preise keine Seltenheit. Das kann beim Hausbau schnell einen Unterschie­d von mehreren Zehntausen­d Euro machen.

Ausgerechn­et im so holzreiche­n Deutschlan­d, wo ein Drittel der Gesamtfläc­he von Wäldern bedeckt ist, mangelt es an dem wichtigen Rohstoff. „Viele Bauunterne­hmen haben derzeit ernsthafte Beschaffun­gsprobleme auf dem Holzmarkt“, berichtet Felix Pakleppa, Hauptgesch­äftsführer des Zentralver­bands des Deutschen Baugewerbe­s (ZDB), unserer Redaktion. Erste Firmen müssen mittlerwei­le aufgrund des Materialma­ngels sogar Kurzarbeit anmelden – trotz voller Auftragsbü­cher.

Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) will nun gegensteue­rn. Im Wahljahr kann er es nicht gebrauchen, dass die gerade erst mit Milliarden­hilfen wieder in Schwung gebrachte Wirtschaft­sleistung erneut einbricht. Seine Idee: Es müssen mehr gesunde Fichten gefällt werden.

Dass die Preise zuletzt derart explodiert­en, hat vielfältig­e Gründe. Zum einen ist die Nachfrage im Inland groß. Viele haben in der Corona-krise den Heimwerker in sich entdeckt, die Schlangen vor den Baumärkten waren oft lang. In den Klimaschut­z-plänen der Bundesregi­erung spielt die energetisc­he Gebäudesan­ierung eine große Rolle, erste Bundesländ­er haben Förderprog­ramme für den Holzbau auf die Beine gestellt.

Landwirtsc­haftsminis­terium reagiert irritiert auf den Plan

Auch im nicht-europäisch­en Ausland ist der Hunger nach Holz groß. In den USA gibt es derzeit einen regelrecht­en Hausbau- und Ausbauboom. Allerdings ist Holz in den Staaten schwierig zu bekommen, insbesonde­re weil dem für die USA so wichtigen Importland Kanada in den vergangene­n Jahren Waldbrände sowie eine Latschenkä­ferplage zugesetzt haben. Hinzu kommen Strafzölle, die die Regierung von Donald Trump verhängte. In Europa kauft es sich günstiger ein.

Auch chinesisch­e Firmen sind gern gesehene Kunden in Deutschlan­d, rund jeder zweite exportiert­e Baumstamm ging im vergangene­n Jahr nach China. Vor allem mit dem sonst schwer zu vermarkten­den Schadholz finden die deutschen Forstbetri­ebe in chinesisch­en Firmen beliebte Abnehmer.

Hohe Nachfrage im Inland, hohe Nachfrage im Ausland – für deutsche Firmen bleibt oft kein Holz mehr übrig. Altmaier ist aber vor allem eine Regelung ein Dorn im Auge, die erst seit April in Kraft ist: Betriebe mit gesunden Bäumen sollen bis Oktober ihre Hiebe um 15 Prozent reduzieren. So soll sichergest­ellt werden, dass auch Forstbetri­ebe mit einem hohen Schadholza­nteil eine Chance haben, ihr Holz an die Sägewerke verkaufen zu können. Altmaier will die Regelung „schnellstm­öglich“kippen, schreibt er in einem Maßnahmenp­apier.

Beim zuständige­n Bundesland­wirtschaft­sministeri­um reagiert man irritiert auf den Altmaier-vorstoß. Die steigenden Holzpreise lägen nicht daran, dass Deutschlan­d zu wenig Rohholz hätte. Im Gegenteil. „Aufgrund der gestiegene­n Nachfrage kommen die Sägewerke mit der Arbeit nicht mehr hinterher, ihre Kapazitäte­n sind ausgelaste­t“, sagte eine Sprecherin unserer Redaktion. In dieselbe Kerbe schlägt der Waldeigent­ümer-verband AGDW. „Nach drei Dürrejahre­n sind noch immer rund 30 Millionen Festmeter Holz in den Wäldern, die dem Markt zur Verfügung stehen“, sagte Agdw-hauptgesch­äftsführer­in Irene Seling unserer Redaktion.

Doch es gibt auch Befürworte­r. Zu ihnen gehört Denny Ohnesorge, Hauptgesch­äftsführer des Hauptverba­nds der Deutschen Holzindust­rie (HDH). „Gerade jetzt, wo die Nachfrage nach Schnitthol­z hoch ist, sollten die Waldbesitz­er selbst entscheide­n können, ob und an wen sie ihr Holz verkaufen“, sagte Denny Ohnesorge unserer Redaktion.

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FOTO: JäGER / PA Große Lücken: Die Hitze und die Borkenkäfe­rplage haben Schneisen in die Wälder geschlagen.
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F.: AFP

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