Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Eine Brosche für Frau Dix
Ute Wolff-brinckmann sucht einen besonderen Zugang zu Frauenporträts des Künstlers
Als Otto Dix im Berliner Boheme-treff „Romanisches Café“die Journalistin Sylvia von Harden sah, soll er ihr bis auf die Straße nachgelaufen sein: „Ich muss Sie malen! Ich muss! Sie repräsentieren eine ganze Zeitepoche!“So entstand Mitte der 20er-jahre eines seiner bekanntesten Frauenporträts. Das bleiche Gesicht mit grellrot geschminkten Lippen manieristisch überspannt, im rechten Auge klemmt ein Monokel, übergroße Hände, eine qualmende Zigarette. Nicht gerade schmeichelhaft. Aber unabhängig, intellektuell, selbstbewusst.
Welchen Schmuck, fragte sich die Erfurter Schmuckgestalterin Ute Wolff-brinckmann, würde sie wohl heute tragen? Verspielte Ohrgehänge mit glitzerndem Strass? Wohl kaum. Erst dachte sie an eine Kette mit einem stilisierten Pc-stick, dann entschied sie sich für einen Silberring: Strenge Form, mit einem umlaufend eingravierten LessingZitat über die Macht der Worte. Der Ring für Sylvia von Harden gehört zur Kollektion, die Ute Wolff-brinckmann für sechs Dix-frauen anfertigte. Und ihr Beitrag zu einer Kollektivausstellung in Gera, in der 36 Künstler ihre Inspirationen zum Werk des Otto Dix zeigen.
Normalerweise, wenn Kunden in ihrer Werkstatt um einen persönlichen Schmuck für einen Menschen bitten, beginnt sie mit einer Art Persönlichkeits-anamnese: Wie kleidet sich der Mensch, welche Frisur trägt er. Ist er extrovertiert oder hält er sich lieber im Hintergrund. Schmuck, bemerkt sie, akzentuiere ja nicht nur Äußerlichkeiten, er kann auch ein Statement sein.
Bei dieser Arbeit freilich konnte sie niemanden fragen. Also suchte sie nach Lebenszeugnissen dieser Frauen in dieser Zeit voll schillerndem Licht und tiefen Schatten. Besonders berührt hat sie die Geschichte von Tamara Danischewski. Eine gefeierte Ausdruckstänzerin, vor der eine große Bühnenkarriere lag, die sie aufgab, als sie heiratete, und sich in die tradierte Frauenrolle fügte. Wie schmerzlich muss für sie dieser Verzicht gewesen sein. Dix malte sie auf fast zarte Weise. „Stillhalten“hatte ihre Enkelin die Biografie genannt, die sie über sie schrieb. Ein symbolhafter Titel für ein angehaltenes Leben. Die Kette, die Ute Wolff-brinckmann für sie entwarf, ist dagegen voller Bewegung: In der sich öffnenden Silberlilie könnte man auch das aufbauschende Kleid einer Frau im Tanz vermuten. Ein kleiner Trost.
Mit stilisierten Blüten hat sie auch für die „Rothaarige Frau“gearbeitet. Zwischen grünen Peridotund Turmalin-steinen durchlaufen die vergoldeten Blüten den Zyklus vom Aufblühen bis zum schnellen Welken. Dix schuf das Porträt 1931: Sorgfältig gelegte Wellen, teures Cocktail-kleid, und in den Augen nur Müdigkeit, im abgemagerten Körper nur Hinfälligkeit. Eine Frau, die vielleicht mit beiden Händen nach den Versprechungen jener Jahre greifen wollte, aber schon längst ihren Abgründen geweiht war. So wie Anita Berber, die Dix 1925 Modell stand. Eine skandalumwobene Tänzerin, eine Femme fatale der 20er. Dix malte sie in einem durchscheinenden roten Kleid und verschatteten Augen im maskenhaften Gesicht. Fast könnte man darin einen Vorgriff auf den Preis sehen, den sie für ihre atemlose Lebensgier zahlte. Sie starb mit 29 Jahren. Dieser exzentrischen Frau gestand die Schmuckgestalterin eine Perlenkette zu, das unvermeidliche Accessoire der Mode dieser Zeit. Aber in Schwarz, mit einem blutroten Stein als Akzent.
Es geht auch bodenständig. Für eines der Porträts der Ehefrau Martha Dix entstand in der Werkstatt von Ute Wolff-brinkmann eine Brosche aus Gold, Quarz und einem Silberabguss, der die raue Struktur des Minerals spiegelt. Der Schmuck hat fast etwas Erdverwurzeltes. Interessant, was wohl die imaginäre Trägerin dazu sagen würde, die auch Goldschmiedin war.
Gera, Galerie „M1-kunstzone“, Mohrenplatz 1