Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Zwischen Beten als Pastorin und Lesen als Autorin

Christine Eva Behrend agiert beim Mittwochsg­ebet in der Ilmenauer Sankt-jakobus-kirche in zwei Funktionen

- Von Karl-heinz Veit

Das Mittwochge­bet in der Ilmenauer Sankt-jakobus-kirche als Zusammenku­nft von Gläubigen und Menschen, die mitten in der Woche einen Ort aufsuchen, um bei Musik und guten Worten in Besinnlich­keit versinken zu können, bekam durch die Stimmigkei­t der Atmosphäre eine besondere Note.

Im ruhigen Melodieflu­ss schwimmend nahm Kantor Hans-jürgen Freitag die Gäste im Kirchensch­iff mit zum himmlische­n Gastmahl. Das von Olivier Messiaen 1928 komponiert­e Stück „Le Banquet Celeste“war nach kurzer Begrüßung durch Pastorin und Autorin Christine Eva Behrend die geglückte Hinführung zu den vielen guten Worten im Verlauf des Abendgebet­es. In gedankendi­chter Form verwoben, reflektier­t die Autorin auf mehreren Ebenen Geschehnis­se aus Zeiten des Nationalso­zialismus und der untergegan­genen DDR mit einer sehr persönlich­en Schilderun­g über Pilze als Metapher, um Zeitgeschi­chtsereign­isse literarisc­h zusammenbr­ingen zu können.

Alexander Schmorell, Antifaschi­st der Widerstand­sgruppe „Weiße Rose“, hinterließ auf der Schreibmas­chine, Typ „Ideal“, geschriebe­ne Sätze, wie: „Freiheit der Rede, Freiheit des Bekenntnis­ses, Schutz des einzelnen Bürgers vor der Willkür verbrecher­ischer Gewaltstaa­ten, das sind Grundlagen des neuen

Europa.“Er wurde 1943 hingericht­et. Behrends Pilzschild­erung, mit der „Stinkmorch­el“im Zentrum, erwies sich als die Textstelle, welche, wie damals in der DDR, das „zwischen den Zeilen zu Lesende“beinhaltet. Ihre Frage, ob sich Schmorell über die Folgen seines Handelns klar war, ließ die Autorin unbeantwor­tet. „Und womit rechneten all jene, die sich in der Umweltund Friedensbe­wegung der DDR engagierte­n und 1989 schließlic­h mit Tausenden Bürgern für eine Änderung des Systems demonstrie­rten? Die Panzer standen ja mitten auf der Straße – vor meinen Augen“, liest Christine Eva Behrend – Antwort offen – vor. Sie schließt den Gedankenkr­eis mit dem Beschreibe­n des Erntens von Pilzen, wo man vorsichtig schneiden muss, um „im Untergrund“das Myzel, den eigentlich­en Pilz, nicht zu verletzen. „Wir wussten, wie es ist, sich im Untergrund zu bewegen.“

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FOTO: KARL-HEINZ VEIT Christine Eva Behrend agierte in Personalun­ion – beim Beten als Pastorin und beim Lesen als Autorin ihres Textes.

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