Thüringer Allgemeine (Arnstadt)
Goretzka fasst sich ein Herz
Der Torschütze zum 2:2 demonstriert in einem seiner größten sportlichen Glücksmomente seine Werte
Leon Goretzka nahm sein Herz in beide Hände – im doppelten Sinn. Nach seinem fulminanten Schuss ins Glück demonstrierte der Nationalspieler eindrucksvoll seine Werte mit einer klaren Botschaft. Goretzka formte vor dem ungarischen „schwarzen Block“das Zeichen der Liebe. Dann wurde er von Kevin Volland im Überschwang der Gefühle zu Boden gerissen und verschwand unter der Jubeltraube.
„Spread love“, verbreitet Liebe, schrieb der Bayern-star noch in der Nacht bei Twitter neben eine Regenbogenfahne: „Yes!!!!!!!! Wembley calling!“Mit seinem bisher wichtigsten Länderspieltreffer zum 2:2 gegen Ungarn hatte der 26-Jährige Bundestrainer Joachim Löw einen blamablen Abgang erspart und der Dfb-auswahl ein Em-achtelfinale im Fußball-tempel Wembley gegen England beschert. „Ich bin überglücklich“, sagte Goretzka.
Dass er trotz dieses magischen Moments ein noch viel größeres Statement setzte, ist bemerkenswert. Goretzka stand in seiner Karriere schon häufig gegen Rassismus, aber für Toleranz und Offenheit ein. Einen besseren Rahmen als vor einem Millionen-publikum hätte es nicht geben können. Die eindeutige Botschaft: Hass und Homophobie haben im Fußball keinen Platz.
„Wenn ich für unser Land spielen darf, möchte ich für unsere Werte und Verfassung spielen, nicht für ein Land, das in Geschichte nicht aufgepasst hat. Schwarz-rot-gold sind die Farben unserer Demokratie, nicht der Rechten“, hatte Goretzka schon zu Beginn der EM erklärt. Diesen starken Worten ließ er nun eine noch stärkere Tat folgen.
Sportlich vollbrachte er ebenfalls Großes. „Goretzka war klasse. Der hat viel Tempo reingebracht und die tiefen Wege gemacht“, lobte Löw seinen „Lebensretter“.
Goretzka vollendete die JokerKombination über Jamal Musiala und Timo Werner eiskalt mit großer Willenskraft. So entschlossen zeigt sich Goretzka auch außerhalb des Platzes. Für seine Haltung gegen rechte Politik und die AFD wurde er schon mehrfach angefeindet. Einschüchtern lässt er sich aber nicht.
Als Fußballwelt kann man aktuell sehr gut erkennen, dass wir Rassismus und Homophobie mit Vielfalt entgegentreten wollen“, erläuterte Goretzka, der das Coming-out eines Kollegen begrüßen würde.
„Ich würde mich freuen, wenn ein aktiver Spieler den Mut hätte, sich zu outen“sagte er vor der EM. Dass damit Probleme verbunden wären, ist ihm bewusst. Bei einem Outing, so Goretzka, würden auch populistische Kommentare kommen. Gerade in Stadien, wo die Hemmschwellen noch immer zu niedrig seien. Goretzka freut sich daher „über jedes Zeichen, das gesetzt wird“. Häufig setzt er es selber.