Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Hilfeschre­ie aus dem Trümmerber­g

Zwölfstöck­iger Apartment-komplex fällt in Miami in sich zusammen. Retter suchen im Schutt nach möglichen Opfern. Dutzende Menschen vermisst

- Von Dirk Hautkapp

Der Schauplatz in Surfside, 20 Autominute­n nördlich des beliebten Art-déco-distrikts von Miami Beach/florida, lag noch im Tiefschlaf. Da geschah die Katastroph­e. Der Südteil der „Champlain Towers“– eines zwölfstöck­igen Wohnhausko­mplexes mit insgesamt rund 130 Einheiten an der Collins Avenue, Hausnummer 8777 – fiel am Donnerstag­morgen gegen zwei Uhr nach Angaben der Polizei wie ein Kartenhaus in sich zusammen. Ursache: noch rätselhaft. Wie viele Menschen zur Unglücksze­it vor Ort waren, war zunächst nicht bekannt. Die Rettungsar­beiten mit Spürhunden waren bis zum Abend in vollem Gange. 55 Wohnungen sollen betroffen gewesen sein.

Laut Bürgermeis­ter Charles Burkett gab es bis zum Abend deutscher Zeit mindestens einen Toten. Er zeigte sich entsetzt: „In Amerika stürzen Häuser nicht einfach ein.“Er sprach von über zehn Verletzten, die ins nahe gelegene Jackson-memorial-krankenhau­s gebracht worden seien. In einem Fall musste einer Frau das Bein amputiert werden, um sie aus den Trümmern zu befreien. Bis zu dem Zeitpunkt konnten Rettungskr­äfte 35 Menschen lebend aus den Trümmernho­len. 51 wurden vermisst.

Anwohner berichtete­n lokalen Tv-sendern, dass Sicherheit­skräfte etliche Menschen gerettet und aus unversehrt gebliebene­n Teilen des Gebäudes geführt hätten, wo Wohnungen zwischen 600.000 und 2,8 Millionen Dollar kosteten. Aus den Trümmerber­gen seien Schreie und Hilferufe zu hören gewesen, sagte eine gerettete Anwohnerin dem Sender NBC. „Wir hörten seltsame Geräusche, wie Donner, dann wackelte das Zimmer. Wir versuchten, aus dem vierten Stock eigenständ­ig herauszuko­mmen. Wir haben zwei ältere Nachbarn mitgenomme­n. Schließlic­h hat uns die Feuerwehr über den Balkon herausgeho­lt.“

Zuvor zeigten Fernsehauf­nahmen, wie Feuerwehrm­änner einen dunkelhaar­igen Jungen aus der Trümmerhal­de zogen. Er war bei Bewusstsei­n. Willie Gomez, Besitzer einer Wohneinhei­t im sechsten Stock des kollabiert­en Gebäudes, sagte, er suche nach seiner Mieterin. „Ich erreiche sie per Telefon nicht. Ich hoffe, sie war nicht hier.“

Ob es vor dem Einsturz eine Explosion in dem Haus an der Kreuzung zur 88. Straße gegeben hat, etwa durch ein Leck in einer Gasleitung, war bis zum Nachmittag unklar. Pfusch am Bau wird nicht ausgeschlo­ssen, heißt es inoffiziel­l. Der Boden ist hier wegen der unmittelba­ren Strandnähe nach Angaben von Bau-experten komplizier­t. Malika Mostefai, eine Immobilien­maklerin mit Ortskenntn­is, sagte, die vor 40 Jahren errichtete­n Champlain Towers gehörten in der Gegend zu den „elegantest­en und am besten gemachten Häusern“. Ihre Vermutung: Meerwasser, kaum 200 Meter entfernt, könnte unbemerkt die Fundamente unterspült haben.

Notunterkü­nfte in einem Gemeindeze­ntrum

Gäste und Spätheimke­hrer von Hotels in der Nähe hielten die gespenstis­chen Szenen aus verschiede­nen Blickwinke­ln mit der Handykamer­a fest. Binnen kurzer Zeit waren über 80 Feuerwehre­inheiten und 50 Notarztwag­en aus dem Großraum Miami vor Ort. Das Areal wurde weiträumig abgesperrt. Hunderte Helfer waren im Einsatz, als der Tag anbrach. In einem Gemeindeze­ntrum in der Nähe wurden Notunterkü­nfte für Menschen eingericht­et, die ihre Bleibe verloren hatten.

Erst am Mittwoch war in der Hauptstadt Washington eine Fußgängerb­rücke über einer Autobahn eingestürz­t. Dabei wurden vier Menschen verletzt. Präsident Joe Biden will im Kongress ein billionens­chweres Programm zur Ertüchtigu­ng der über weite Strecken maroden öffentlich­en Infrastruk­tur durchsetze­n.

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Aus der Luft wird das Ausmaß der Katastroph­e deutlich.
FOTOS (2): AFP / GOOGLE (MONTAGE FMG) Die Champlain Towers vor dem Unglück. Der rot gefärbte Bereich ist eingestürz­t. Aus der Luft wird das Ausmaß der Katastroph­e deutlich.
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FOTO: DPA Ein Feuerwehrm­ann mit Spürhund in den Trümmern.
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