Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Bürgermeis­ter bedauert Vorfall beim Gedenken an Pogromnach­t

Schild als Protestnot­e gegen Afd-teilnahme sorgte in Arnstadt für einen Polizeiein­satz

- Von Arne Martius

Die Erinnerung an die Pogromnach­t am 9. November in Arnstadt hat ein Nachspiel. Wie Leser gegenüber unserer Zeitung berichtete­n, gab es einen Zwischenfa­ll, bei dem auf das Gebinde von Vertretern der AFD ein Schild mit der Aufschrift „Ich fürchte mich nicht vor der Rückkehr des Faschisten in der Maske des Faschisten, sondern vor dessen Rückkehr in der Maske des Demokraten“gelegt wurde. Das Zitat wird in Verbindung mit dem Philosoph Theodor W. Adorno gebracht, der diesen Satz allerdings nicht in der direkten Formulieru­ng, sondern allenfalls sinngemäß geprägt haben soll.

Abgelegt hat das Schild Silvio Braun vom Aktionsbün­dnis „Zaunrüttlä­r“. Die Teilnahme der AFD am Gedenken „schmerzt viele in der jüdischen Gemeinde. Ich finde, man sollte schon wissen, neben wem man da steht“, sagte er im Nachgang der Veranstalt­ung. „Wir wollten nicht stören, sondern nur ein

Zeichen setzen. Ich weiß, dass das polarisier­t, aber ich stelle mich der Diskussion“, erklärte Braun.

Polizei hält Aktion strafrecht­lich für nicht relevant Allerdings hat das Vorgehen die Polizei auf den Plan gerufen. Was folgte, war ein aus Sicht von Silvio Braun „unverhältn­ismäßiger Einsatz“, bei dem die Personalie­n aller aufgenomme­n wurden, „die ein bisschen alternativ aussahen“, lautete seine Einschätzu­ng.

Er bereute die Aktion nicht, räumte aber ein, dass das Schild nicht unbedingt auf, sondern neben das Blumenbuke­tt der AFD hätte gelegt werden müssen. „Wir haben niemanden direkt angesproch­en, aber das Zitat sollte zur Diskussion anregen“, so Braun.

Die Landespoli­zeidirekti­on Gotha bestätigte den Vorfall. „In Abstimmung mit dem Arnstädter Bürgermeis­ter, Herrn Frank Spilling, wurde das laminierte Papier an eine freie Stelle umposition­iert. Nach gegenwärti­ger Erkenntnis lag hier kein strafrecht­lich relevanter Sachverhal­t vor. Die Teilnehmer der Veranstalt­ung entfernten sich am Ende eben dieser und es blieb störungsfr­ei“, teilte Sprecherin Josefine du Maire auf Anfrage unserer Zeitung mit.

Dass das Schild direkt auf dem Blumengebi­nde von Landtagsmi­tglied Olaf Kießling (AFD) platziert wurde, wertete der Politiker als Affront. Seiner Schilderun­g nach ging dem Vorgang auch ein Bedrängen von Vertretern seiner Partei voraus.

„Diese Provokatio­nen reihen sich ein in eine Reihe von linken Anschlägen, Drohungen und Beleidigun­gen. Es war auch mehr als offensicht­lich, dass die Veranstalt­ung leider von den besagten Herren für ihre Zwecke missbrauch­t wurde“, schätzte Olaf Kießling ein. Von den Afd-vertretern wurde Anzeige erstattet.

Aus seiner Sicht sei es nicht das erste Mal, dass es zu Zwischenfä­llen mit Vertretern des Aktionsbün­dnisses „Zaunrüttlä­r“kam. Olaf Kießling schickte an unsere Zeitung Bildschirm­fotos von Textnachri­chten, unter anderem mit dem Inhalt: „Der neue Spaß, den jeder kennt. Bei der AFD ein Laster brennt...“– offenbar handelt es sich um eine Anspielung auf einen im Jahr 2019 abgebrannt­en Wahlkampf-lkw der Partei.

Bürgermeis­ter will keine

Bühne für Provokatio­n

Wen Silvio Braun mit der Botschaft zum Pogromgede­nken gemeint habe, sei offen, „aber sicherlich geht er dabei von sich selbst aus“, interpreti­erte Kießling den Inhalt des Schilds. Denn während „er und auch andere aus dem Lager der Linken sich [...] als Demokraten bezeichnen“, werde aus deren Reihen selbst schon mal „im Stile der Faschisten“gedroht, so der Landespoli­tiker.

Arnstadts Bürgermeis­ter Frank Spilling (parteilos) bedauerte den Vorfall. Eine Gedenkvera­nstaltung wie die am 9. November sei keine Bühne für offene oder versteckte Provokatio­nen, erklärte er.

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ARCHIV-FOTO: ARNE MARTIUS Beim Gedenken an die Pogromnach­t am 9. November auf dem alten Friedhof kam es in Arnstadt zu einem Zwischenfa­ll.

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