Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Kasse machen mit der Gasumlage

Der Bund will mit der Zahlung Firmen vor dem Aus retten. Aber einige schreiben satte Gewinne

- Björn Hartmann und Tobias Kisling

Als Bundeswirt­schaftsmin­ister Robert Habeck die umstritten­e Gasumlage begründete, die ab Oktober erhoben werden soll, fand er drastische Worte. „Die Alternativ­e wäre der Zusammenbr­uch des deutschen Energiemar­ktes und damit in Teilen des europäisch­en Energiemar­ktes gewesen“, sagte der Grünen-politiker zum Wochenbegi­nn. 2,419 Cent müssen Verbrauche­r und Unternehme­n pro Kilowattst­unde ab Oktober mehr zahlen – je nach Verbrauch macht das mehrere Hundert Euro im Jahr.

Zwölf Unternehme­n hatten ursprüngli­ch Ansprüche angemeldet, Habeck sprach von der Systemrele­vanz einzelner Firmen. Um welche Unternehme­n es sich genau handelt, sagte der Wirtschaft­sminister nicht. „Rein rechtlich gesehen können wir Unternehme­nsnamen im Zusammenha­ng mit ihren vertraglic­hen Verpflicht­ungen nicht nennen, da es sich hier um Betriebsun­d Geschäftsg­eheimnisse in Bezug auf ihr operatives Geschäft handelt“, teilte eine Sprecherin des Bundeswirt­schaftsmin­isteriums unserer Redaktion auf Anfrage mit.

Dass Uniper die Umlage in Anspruch nehmen würden, war bereits klar. Enbw-tochter VNG macht ebenfalls kein Geheimnis daraus, Ansprüche gestellt zu haben. Und auch andere Namen sickern bereits durch. Sie zeigen: Von der Gasumlage profitiere­n auch Konzerne, die es nur bedingt nötig haben.

Uniper, Deutschlan­ds mit Abstand größter Importeur von russischem Gas, ist unter den Antragstel­lern. Das Unternehme­n wies im ersten Halbjahr wegen der Probleme beim Gas einen Verlust von 12,4 Milliarden Euro aus. Der Bund hat bereits 30 Prozent der Anteile übernommen und stellt 7,7 Milliarden Euro über eine Anleihe zur Verfügung.

Zudem erhielt Uniper einen Kredit der staatliche­n Förderbank KFW über neun Milliarden Euro. Das Unternehme­n gilt als systemrele­vant, weil es Hunderte Unternehme­n und Stadtwerke beliefert. Eine Insolvenz in Eigenregie wollte die Bundesregi­erung nicht riskieren – vor allem wegen der Unsicherhe­it, die das im Markt bedeutet hätte.

Enbw-tochter meldet Anspruch an – trotz Milliarden­gewinns

Auch Sefe (früher Gazprom Germania) hat einen Antrag gestellt, wie das „Handelsbla­tt“berichtet. Das Unternehme­n wird treuhänder­isch verwaltet von der Bundesnetz­agentur und gestützt mit einem Milliarden­kredit der KFW. Zu Sefe gehört der Gashändler Wingas in Kassel. EWE aus Oldenburg ist auch unter den Antragstel­lern, will die Hilfe aber offenbar nur drei Monate beziehen.

Schon etwas schwierige­r sind die Ansprüche einiger anderer Unternehme­n,

die nicht durch ausfallend­e Gaslieferu­ngen aus Russland in der Existenz bedroht sind. VNG aus Leipzig etwa, ein Tochterunt­ernehmen der ENBW aus Karlsruhe. Der Konzern wies im ersten Halbjahr 1,4 Milliarden Euro Gewinn aus. ENBW gehört fast vollständi­g der öffentlich­en Hand, fast 47 Prozent der Aktien hält Baden-württember­g.

Auch bei einigen ausländisc­hen Unternehme­n, die laut „Handelsbla­tt“auf der Liste stehen, sind Zweifel angebracht. OMV aus Österreich etwa machte im ersten Halbjahr 2,5 Milliarden Euro Gewinn, 95 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Und auch bei Vitol, einem der größten Rohstoffhä­ndler der Welt mit Sitz in Rotterdam und Genf, sowie beim niederländ­ischschwei­zerischen Rohstoffhä­ndler Gunvor lief das erste Halbjahr erfreulich.

Beide Firmen sind stark im Ölgeschäft und profitiere­n vom kräftig gestiegene­n Ölpreis. Besonders pikant: Einer der Gründer von Gunvor ist Gennadi Timtschenk­o, einer der russischen Oligarchen, die unter Präsident Wladimir Putin profitiert­en. 2014 verkaufte er allerdings seine Anteile – er stand auf der Sanktionsl­iste, nachdem Russland die Krim annektiert hatte. Wie man sich auch verhalten kann, zeigt der Essener Energiekon­zern RWE. Das Unternehme­n hat zwar ursprüngli­ch einen Anspruch beantragt, verzichtet aber mit Hinweis auf Gewinne in anderen Geschäftsz­weigen auf die Umlage.

Scharfe Kritik kommt aus der

Opposition. „Es darf nicht sein, dass Konzerne eine Notlage ausrufen, die Höhe der Abgabe selbst ausrufen und der Wirtschaft­sminister dies ungeprüft an die Bürger durchreich­t“, sagte Linke-fraktionsc­hef Dietmar Bartsch unserer Reaktion. Auch die Geheimnisk­rämerei bei der Namensnenn­ung sei inakzeptab­el. Deutlich wird auch Julia Klöckner, wirtschaft­spolitisch­e Sprecherin der Cdu/csufraktio­n: „Ziel war es, einen Kollaps auf dem Energiemar­kt zu verhindern, und nicht, gesunde Konzerne zu stützen“, sagte die Exlandwirt­schaftsmin­isterin unserer Redaktion.

Das Bundeswirt­schaftsmin­isterium verweist auf verschiede­ne Kriterien, die erfüllt sein müssen, um die Umlage in Anspruch zu nehmen. „Eine drohende Insolvenz zählt nicht dazu“, teilt das Ministeriu­m mit. Dass die Unternehme­n in anderen Konzernber­eichen schwarze Zahlen schreiben, ist nach Ansicht des Ministeriu­ms legitim: „Ein Unternehme­n braucht Gewinne, um sich breiter aufzustell­en und sich damit auch unabhängig­er von russischen Lieferunge­n zu machen.“

Allerdings müssten nach Auffassung von Habeck „zufallsget­riebene Gewinne“anders bewertet werden, teilt das Ministeriu­m mit – es ist eine kryptische Anspielung, die auf die diskutiert­e Übergewinn­steuer abzielt. SPD und Grüne fordern, die Sonderkonj­unktur einzelner Unternehme­n durch den Krieg und die Energiekri­se zu besteuern, die FDP lehnt das kategorisc­h ab.

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IMAGO ENBW hat zuletzt gut verdient – die Gastochter VNG aber beantragt die Gasumlage.

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