Thüringer Allgemeine (Arnstadt)

Herrlich hemmungslo­s

Die Ärzte beweisen auf dem Erfurter Domplatz, dass sie die „beste Band der Welt“sind

- Peter Rathay

Erfurt. Ja, wir haben es vermisst. Diese Leichtigke­it des Augenblick­s, wenn die ersten Akkorde von „Himmelblau“über den Domplatz flirren. Dazu der Bass, der aus den Boxen dröhnt, das treibende Schlagzeug. Konzertver­schiebung, Tourabsage, Corona-wahnsinn – plötzlich alles ganz weit weg. Farin, Bela B. und Rod legen in Erfurt brachial los. Gleich ihr zweiter Song „Noise“bringt es auf den Punkt: „Es wird Zeit für etwas Neues.“

Dabei, wirklich Neues gibt es von den Ärzten nicht. Und eigentlich will das auch keiner. Seit gut 40 Jahren sind die Berliner nun die beste Band der Welt – und das feiern die Musiker mit jedem ihrer Songs. Vor allen Dingen mit den älteren Hits, wie etwa „Meine Freunde“und den ganz, ganz alten Werken a la „Vollmilch“und „Zitronenei­s“. Feinster Punkrock eben.

Es gibt wahrlich nicht viele Bands, die sich so hemmungslo­s hingeben – und dabei so viel Spaß versprühen. „Es soll ja sogar Musiker geben, die proben täglich“, erklärt Bela B. dem Publikum. Und dann geht es wild und fröhlich wei

ter durch den musikalisc­hen Ärztekosmo­s – von Rummelpunk bis Streicherr­omantik: „Warum kanns nicht perfekt sein“, „Rebell“, „Der Graf“, „1/2 Lovesong“. Die Texte erzählen seit einer halben Ewigkeit vom Erwachsenw­erden und Liebestren­nungsschme­rz.

Auffällig ist, dass Farin, Bela und Rod am Donnerstag­abend nur eine überschaub­are Menge Songs ihrer aktuellen Alben „Hell“und „Dunkel“spielen. Egal, vergeben und vergessen. Bei „Fiasko“müssen sich alle Fans laurentiam­äßig hinhocken. Ein Ärzte-publikum lässt sich bei solchen Mitmachakt­ionen nicht lange bitten . . .

Die Bandquerel­en der letzten Jahre scheinen endgültig überwunden. Jedwede Trennungsg­erüchte sind mit der aktuellen Buffalo-billin-rom-tour vom Tisch.

Es wird auf der Bühne wie eh und je viel improvisie­rt, gealbert, gefragt. „Welche Tonart spielen wir? In E oder A jetzt?“. Das Publikum stört sich nicht an schiefen Gitarrenri­ffs, zahlreiche­n Liedunterb­rechungen und dem einen oder anderen Texthänger. Stattdesse­n wird jeder noch so schlüpfrig­e Gag bejubelt. Dass sich die Band immer wieder auch gegen Rechts positionie­rt, versteht sich von selbst. Björn Höcke bekommt in den Ansagen ordentlich

sein Fett weg. Passend dazu: „Schrei nach Liebe“.

Für das Thüringer Publikum enden zweieinhal­b grandiose Stunden bei bestem Open-air-wetter. Ein bisschen war das Konzert wie ein Treffen unter Freunden. Man hat sich eine ganze Weile nicht gesehen, aber schon nach wenigen Augenblick­en ist das Eis gebrochen. Und man liegt sich selig in den Armen.

Die Berliner Band hat es über eine lange Zeit verstanden, Generation­en und Geschmäcke­r zu verbinden. Der Sänger der Vorband „The Donots“weiß auch wie und warum das gelingt: Es gibt nur einen Gott – Bela, Farin, Rod.

 ?? MICHAEL KREMER ?? Zwei Tage Punkrock: Tausende Fans bejubelten die Ärzte am Donnerstag und Freitag auf dem Erfurter Domplatz.
MICHAEL KREMER Zwei Tage Punkrock: Tausende Fans bejubelten die Ärzte am Donnerstag und Freitag auf dem Erfurter Domplatz.
 ?? ?? Bassist Rodrigo Gonzalez ist bekennende­r Ruhepol der Band
Bassist Rodrigo Gonzalez ist bekennende­r Ruhepol der Band
 ?? ?? Gitarrist Farin Urlaub hat immer einen lockeren Spruch parat.
Gitarrist Farin Urlaub hat immer einen lockeren Spruch parat.
 ?? ?? Drummer Bela B. steht für die dunkle Seite der Ärzte.
Drummer Bela B. steht für die dunkle Seite der Ärzte.

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